Goldammer, Leo: Eine Hochzeitsnacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [187]–203. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Allen zur Freude, zumeist aber seiner Liebsten, seinem Vater und seiner Mutter. Einem nur war es zu Muthe dabei gewesen, als sollte ihm das keine Freude sein, und das war sein leiblicher Bruder. Dieser saß neben seinem Vater und machte ein gar trübselig Gesicht, das um so trübseliger aussah, als er es unter verstellter Lustigkeit zu verstecken suchte, was ihm nicht gelang. Der alte Lagies hatte es schon lange bemerkt. Er benutzte daher die Gelegenheit, als sein Sohn aufstand, um hinauszugehen in die frische Luft, ein Wort im Vertrauen mit ihm zu reden. Michael, sagte er zu ihm, dein Bruder hat Hochzeit, und dein Bruder ist deines Vaters Sohn. Kannst du um seinetwillen nicht fröhlich sein, sei es um meinetwillen und verdirb uns den Tag nicht. Dein Bruder hatte das Herz deiner Braut, und wollte sie dir gleich ihre Hand nicht versagen, ihr Herz flog dem Wiederkehrenden entgegen, und Das muß gelten. Ich will nicht hoffen, du hegst jetzt den Wunsch: wäre mein Bruder doch geblieben im Feld! -- wie das Gerücht uns einst fürchten gemacht. Nein, gewiß nicht! Nein, Vater! Nein -- aber -- Was aber? -- Ich will wissen, was dies Aber soll. Vater, der Gedanke, daß, wenn das nun wahr gewesen wäre -- Es kommt einem doch so in den Kopf -- und ich wäre dann glücklich gewesen -- -- Was sollte wahr gewesen sein? Ich denke den Gedanken nicht gern, ich ärgere mich sehr über ihn, ich sage mir selbst, wie abscheulich er ist Allen zur Freude, zumeist aber seiner Liebsten, seinem Vater und seiner Mutter. Einem nur war es zu Muthe dabei gewesen, als sollte ihm das keine Freude sein, und das war sein leiblicher Bruder. Dieser saß neben seinem Vater und machte ein gar trübselig Gesicht, das um so trübseliger aussah, als er es unter verstellter Lustigkeit zu verstecken suchte, was ihm nicht gelang. Der alte Lagies hatte es schon lange bemerkt. Er benutzte daher die Gelegenheit, als sein Sohn aufstand, um hinauszugehen in die frische Luft, ein Wort im Vertrauen mit ihm zu reden. Michael, sagte er zu ihm, dein Bruder hat Hochzeit, und dein Bruder ist deines Vaters Sohn. Kannst du um seinetwillen nicht fröhlich sein, sei es um meinetwillen und verdirb uns den Tag nicht. Dein Bruder hatte das Herz deiner Braut, und wollte sie dir gleich ihre Hand nicht versagen, ihr Herz flog dem Wiederkehrenden entgegen, und Das muß gelten. Ich will nicht hoffen, du hegst jetzt den Wunsch: wäre mein Bruder doch geblieben im Feld! — wie das Gerücht uns einst fürchten gemacht. Nein, gewiß nicht! Nein, Vater! Nein — aber — Was aber? — Ich will wissen, was dies Aber soll. Vater, der Gedanke, daß, wenn das nun wahr gewesen wäre — Es kommt einem doch so in den Kopf — und ich wäre dann glücklich gewesen — — Was sollte wahr gewesen sein? Ich denke den Gedanken nicht gern, ich ärgere mich sehr über ihn, ich sage mir selbst, wie abscheulich er ist <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0009"/> Allen zur Freude, zumeist aber seiner Liebsten, seinem Vater und seiner Mutter.</p><lb/> <p>Einem nur war es zu Muthe dabei gewesen, als sollte ihm das keine Freude sein, und das war sein leiblicher Bruder. Dieser saß neben seinem Vater und machte ein gar trübselig Gesicht, das um so trübseliger aussah, als er es unter verstellter Lustigkeit zu verstecken suchte, was ihm nicht gelang. Der alte Lagies hatte es schon lange bemerkt. Er benutzte daher die Gelegenheit, als sein Sohn aufstand, um hinauszugehen in die frische Luft, ein Wort im Vertrauen mit ihm zu reden. Michael, sagte er zu ihm, dein Bruder hat Hochzeit, und dein Bruder ist deines Vaters Sohn. Kannst du um seinetwillen nicht fröhlich sein, sei es um meinetwillen und verdirb uns den Tag nicht. Dein Bruder hatte das Herz deiner Braut, und wollte sie dir gleich ihre Hand nicht versagen, ihr Herz flog dem Wiederkehrenden entgegen, und Das muß gelten. Ich will nicht hoffen, du hegst jetzt den Wunsch: wäre mein Bruder doch geblieben im Feld! — wie das Gerücht uns einst fürchten gemacht. </p><lb/> <p>Nein, gewiß nicht! Nein, Vater! Nein — aber — </p><lb/> <p>Was aber? — Ich will wissen, was dies Aber soll. </p><lb/> <p>Vater, der Gedanke, daß, wenn das nun wahr gewesen wäre — Es kommt einem doch so in den Kopf — und ich wäre dann glücklich gewesen — —</p><lb/> <p>Was sollte wahr gewesen sein?</p><lb/> <p>Ich denke den Gedanken nicht gern, ich ärgere mich sehr über ihn, ich sage mir selbst, wie abscheulich er ist<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0009]
Allen zur Freude, zumeist aber seiner Liebsten, seinem Vater und seiner Mutter.
Einem nur war es zu Muthe dabei gewesen, als sollte ihm das keine Freude sein, und das war sein leiblicher Bruder. Dieser saß neben seinem Vater und machte ein gar trübselig Gesicht, das um so trübseliger aussah, als er es unter verstellter Lustigkeit zu verstecken suchte, was ihm nicht gelang. Der alte Lagies hatte es schon lange bemerkt. Er benutzte daher die Gelegenheit, als sein Sohn aufstand, um hinauszugehen in die frische Luft, ein Wort im Vertrauen mit ihm zu reden. Michael, sagte er zu ihm, dein Bruder hat Hochzeit, und dein Bruder ist deines Vaters Sohn. Kannst du um seinetwillen nicht fröhlich sein, sei es um meinetwillen und verdirb uns den Tag nicht. Dein Bruder hatte das Herz deiner Braut, und wollte sie dir gleich ihre Hand nicht versagen, ihr Herz flog dem Wiederkehrenden entgegen, und Das muß gelten. Ich will nicht hoffen, du hegst jetzt den Wunsch: wäre mein Bruder doch geblieben im Feld! — wie das Gerücht uns einst fürchten gemacht.
Nein, gewiß nicht! Nein, Vater! Nein — aber —
Was aber? — Ich will wissen, was dies Aber soll.
Vater, der Gedanke, daß, wenn das nun wahr gewesen wäre — Es kommt einem doch so in den Kopf — und ich wäre dann glücklich gewesen — —
Was sollte wahr gewesen sein?
Ich denke den Gedanken nicht gern, ich ärgere mich sehr über ihn, ich sage mir selbst, wie abscheulich er ist
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Zitationshilfe: | Goldammer, Leo: Eine Hochzeitsnacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [187]–203. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goldammer_hochzeitsnacht_1910/9>, abgerufen am 16.02.2025. |