Goldammer, Leo: Eine Hochzeitsnacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [187]–203. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.dampfend aus dem Rachen, die Augen glühten wie Kohlen. Einen Augenblick, dann erhob sich's, und jetzt schmetterte Christoph den Büchsenkolben auf seinen Schädel, daß er zersplittert vom Laufe flog. Das Thier stieß ein zorniges Brummen aus, ließ sich den Schlag aber nicht rühren, sondern erhob sich vollends auf die Hinterbeine. Christoph, als er die Nutzlosigkeit seines Schlags erkannt hatte, warf seine Waffe in den Schnee und war mit Einem Sprunge an seinem Feind, legte seine Hände wie ein Paar Daumenschrauben um dessen Hals und hielt ihn so Armesweit von sich ab. Festhalten oder erwürgen, was war seine Absicht bei dieser Handlung? Er that, was ihm der Augenblick eingab. Voll Grimmes erhob der Gegner seine Tatzen, schlug sie dem Mann auf die Schultern, daß die Krallen sich eingruben durch den doppelten Schafpelz bis auf das Fleisch. Ein unwillkürlicher Angstschrei entfuhr Christoph's Lippen; fester aber schnürten sich seine Hände um das Thier, das sich in kurzen, heftigen Drehungen dieser Unbequemlichkeit zu entwinden suchte; weiter schien es ihm nichts zu sein, da die Hände nicht hinreichten, den Hals ganz zu umspannen. Fest hielt Christoph mit der Kraft der Verzweiflung; das Thier leckte mit der Zunge nach dem Arm seines Feindes und drückte den Kopf seitwärts herunter. Ein Biß, und er wäre zermalmt gewesen. Mit gewaltiger Anstrengung preßte Christoph des Thieres Kopf wieder in die Höhe. Das aber hatte dampfend aus dem Rachen, die Augen glühten wie Kohlen. Einen Augenblick, dann erhob sich's, und jetzt schmetterte Christoph den Büchsenkolben auf seinen Schädel, daß er zersplittert vom Laufe flog. Das Thier stieß ein zorniges Brummen aus, ließ sich den Schlag aber nicht rühren, sondern erhob sich vollends auf die Hinterbeine. Christoph, als er die Nutzlosigkeit seines Schlags erkannt hatte, warf seine Waffe in den Schnee und war mit Einem Sprunge an seinem Feind, legte seine Hände wie ein Paar Daumenschrauben um dessen Hals und hielt ihn so Armesweit von sich ab. Festhalten oder erwürgen, was war seine Absicht bei dieser Handlung? Er that, was ihm der Augenblick eingab. Voll Grimmes erhob der Gegner seine Tatzen, schlug sie dem Mann auf die Schultern, daß die Krallen sich eingruben durch den doppelten Schafpelz bis auf das Fleisch. Ein unwillkürlicher Angstschrei entfuhr Christoph’s Lippen; fester aber schnürten sich seine Hände um das Thier, das sich in kurzen, heftigen Drehungen dieser Unbequemlichkeit zu entwinden suchte; weiter schien es ihm nichts zu sein, da die Hände nicht hinreichten, den Hals ganz zu umspannen. Fest hielt Christoph mit der Kraft der Verzweiflung; das Thier leckte mit der Zunge nach dem Arm seines Feindes und drückte den Kopf seitwärts herunter. Ein Biß, und er wäre zermalmt gewesen. Mit gewaltiger Anstrengung preßte Christoph des Thieres Kopf wieder in die Höhe. Das aber hatte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0015"/> dampfend aus dem Rachen, die Augen glühten wie Kohlen. Einen Augenblick, dann erhob sich's, und jetzt schmetterte Christoph den Büchsenkolben auf seinen Schädel, daß er zersplittert vom Laufe flog. Das Thier stieß ein zorniges Brummen aus, ließ sich den Schlag aber nicht rühren, sondern erhob sich vollends auf die Hinterbeine. Christoph, als er die Nutzlosigkeit seines Schlags erkannt hatte, warf seine Waffe in den Schnee und war mit Einem Sprunge an seinem Feind, legte seine Hände wie ein Paar Daumenschrauben um dessen Hals und hielt ihn so Armesweit von sich ab.</p><lb/> <p>Festhalten oder erwürgen, was war seine Absicht bei dieser Handlung? Er that, was ihm der Augenblick eingab.</p><lb/> <p>Voll Grimmes erhob der Gegner seine Tatzen, schlug sie dem Mann auf die Schultern, daß die Krallen sich eingruben durch den doppelten Schafpelz bis auf das Fleisch. Ein unwillkürlicher Angstschrei entfuhr Christoph’s Lippen; fester aber schnürten sich seine Hände um das Thier, das sich in kurzen, heftigen Drehungen dieser Unbequemlichkeit zu entwinden suchte; weiter schien es ihm nichts zu sein, da die Hände nicht hinreichten, den Hals ganz zu umspannen. Fest hielt Christoph mit der Kraft der Verzweiflung; das Thier leckte mit der Zunge nach dem Arm seines Feindes und drückte den Kopf seitwärts herunter. Ein Biß, und er wäre zermalmt gewesen. Mit gewaltiger Anstrengung preßte Christoph des Thieres Kopf wieder in die Höhe. Das aber hatte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
dampfend aus dem Rachen, die Augen glühten wie Kohlen. Einen Augenblick, dann erhob sich's, und jetzt schmetterte Christoph den Büchsenkolben auf seinen Schädel, daß er zersplittert vom Laufe flog. Das Thier stieß ein zorniges Brummen aus, ließ sich den Schlag aber nicht rühren, sondern erhob sich vollends auf die Hinterbeine. Christoph, als er die Nutzlosigkeit seines Schlags erkannt hatte, warf seine Waffe in den Schnee und war mit Einem Sprunge an seinem Feind, legte seine Hände wie ein Paar Daumenschrauben um dessen Hals und hielt ihn so Armesweit von sich ab.
Festhalten oder erwürgen, was war seine Absicht bei dieser Handlung? Er that, was ihm der Augenblick eingab.
Voll Grimmes erhob der Gegner seine Tatzen, schlug sie dem Mann auf die Schultern, daß die Krallen sich eingruben durch den doppelten Schafpelz bis auf das Fleisch. Ein unwillkürlicher Angstschrei entfuhr Christoph’s Lippen; fester aber schnürten sich seine Hände um das Thier, das sich in kurzen, heftigen Drehungen dieser Unbequemlichkeit zu entwinden suchte; weiter schien es ihm nichts zu sein, da die Hände nicht hinreichten, den Hals ganz zu umspannen. Fest hielt Christoph mit der Kraft der Verzweiflung; das Thier leckte mit der Zunge nach dem Arm seines Feindes und drückte den Kopf seitwärts herunter. Ein Biß, und er wäre zermalmt gewesen. Mit gewaltiger Anstrengung preßte Christoph des Thieres Kopf wieder in die Höhe. Das aber hatte
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Zitationshilfe: | Goldammer, Leo: Eine Hochzeitsnacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [187]–203. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goldammer_hochzeitsnacht_1910/15>, abgerufen am 28.07.2024. |