Nun horchte ich hoch auf. Thuts auch, lieben Kinder! Nehmts wohl zu Herzen. Der ehrliche Mann sagte: -- O! daß es doch alle undankbare Kinder der Welt hören möch- ten! -- Er sagte: Er brächte die letzten zwey Dreyer alle Tage seinen beyden alten Ael- tern, die nicht mehr arbeiten, und sich nicht mehr ernähren könnten.
Warum aber, fragte ich weiter, nennt ihr denn das eure alte Schuld? Ich that diese Frage bloß an ihn, um meine Thränen zu verbergen. Denn ich konnte mir kaum vorstellen, daß unter einem so armseligen Kit- tel eine solche Tugend, Ehrlichkeit und Dank- barkeit wohnen könnte.
Alte Schuld? rief er laut, wie können Sie noch darnach fragen, lieber Herr? Warum ich das so nenne, was ich meinen alten Ael- tern schuldig bin? Haben sie denn von mir
keine
Nun horchte ich hoch auf. Thuts auch, lieben Kinder! Nehmts wohl zu Herzen. Der ehrliche Mann ſagte: — O! daß es doch alle undankbare Kinder der Welt hoͤren moͤch- ten! — Er ſagte: Er braͤchte die letzten zwey Dreyer alle Tage ſeinen beyden alten Ael- tern, die nicht mehr arbeiten, und ſich nicht mehr ernaͤhren koͤnnten.
Warum aber, fragte ich weiter, nennt ihr denn das eure alte Schuld? Ich that dieſe Frage bloß an ihn, um meine Thraͤnen zu verbergen. Denn ich konnte mir kaum vorſtellen, daß unter einem ſo armſeligen Kit- tel eine ſolche Tugend, Ehrlichkeit und Dank- barkeit wohnen koͤnnte.
Alte Schuld? rief er laut, wie koͤnnen Sie noch darnach fragen, lieber Herr? Warum ich das ſo nenne, was ich meinen alten Ael- tern ſchuldig bin? Haben ſie denn von mir
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Nun horchte ich hoch auf. Thuts auch,
lieben Kinder! Nehmts wohl zu Herzen. Der
ehrliche Mann ſagte: — O! daß es doch
alle undankbare Kinder der Welt hoͤren moͤch-
ten! — Er ſagte:
Er braͤchte die letzten zwey Dreyer
alle Tage ſeinen beyden alten Ael-
tern, die nicht mehr arbeiten, und
ſich nicht mehr ernaͤhren koͤnnten.
Warum aber, fragte ich weiter, nennt
ihr denn das eure alte Schuld? Ich that
dieſe Frage bloß an ihn, um meine Thraͤnen
zu verbergen. Denn ich konnte mir kaum
vorſtellen, daß unter einem ſo armſeligen Kit-
tel eine ſolche Tugend, Ehrlichkeit und Dank-
barkeit wohnen koͤnnte.
Alte Schuld? rief er laut, wie koͤnnen
Sie noch darnach fragen, lieber Herr? Warum
ich das ſo nenne, was ich meinen alten Ael-
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Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 2. Leipzig, 1783, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib02_1783/339>, abgerufen am 25.11.2024.
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