alte Schuld bezahlen, die mich sehr auf dem Herzen drückt."
Du ehrliches Blut! dachte ich bey mir selbst. Du hast selbst kaum das liebe Brod, und denkst doch daran, eine alte Schuld zu bezahlen? Ich war sehr begierig, zu wissen, worinn doch die alte Schuld bestehen möchte. Ich konnte nicht anders vermuthen, als daß er etwa für Bier, oder ein Paar Schuh, noch etwas schuldig geblieben wäre.
Ehe ich weiter erzähle, so bitte ich euch, lieben Kinder! setzt euch hin, leset nicht wei- ter, sondern versucht es, ob ihr wohl rathen könnt, was das für eine alte Schuld gewe- sen sey, die dem armen Tagelöhner so auf dem Herzen lag, daß er sich zwey Dreyer täglich vor dem Munde abzog, und sie zur Bezah- lung derselben anwendete. Wer es räth, der soll auch die Freude haben, morgen einem
armen
alte Schuld bezahlen, die mich ſehr auf dem Herzen druͤckt.“
Du ehrliches Blut! dachte ich bey mir ſelbſt. Du haſt ſelbſt kaum das liebe Brod, und denkſt doch daran, eine alte Schuld zu bezahlen? Ich war ſehr begierig, zu wiſſen, worinn doch die alte Schuld beſtehen moͤchte. Ich konnte nicht anders vermuthen, als daß er etwa fuͤr Bier, oder ein Paar Schuh, noch etwas ſchuldig geblieben waͤre.
Ehe ich weiter erzaͤhle, ſo bitte ich euch, lieben Kinder! ſetzt euch hin, leſet nicht wei- ter, ſondern verſucht es, ob ihr wohl rathen koͤnnt, was das fuͤr eine alte Schuld gewe- ſen ſey, die dem armen Tageloͤhner ſo auf dem Herzen lag, daß er ſich zwey Dreyer taͤglich vor dem Munde abzog, und ſie zur Bezah- lung derſelben anwendete. Wer es raͤth, der ſoll auch die Freude haben, morgen einem
armen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0336"n="314"/>
alte Schuld bezahlen, die mich ſehr auf dem<lb/>
Herzen druͤckt.“</p><lb/><p>Du ehrliches Blut! dachte ich bey mir<lb/>ſelbſt. Du haſt ſelbſt kaum das liebe Brod,<lb/>
und denkſt doch daran, eine alte Schuld zu<lb/>
bezahlen? Ich war ſehr begierig, zu wiſſen,<lb/>
worinn doch die alte Schuld beſtehen moͤchte.<lb/>
Ich konnte nicht anders vermuthen, als daß<lb/>
er etwa fuͤr Bier, oder ein Paar Schuh, noch<lb/>
etwas ſchuldig geblieben waͤre.</p><lb/><p>Ehe ich weiter erzaͤhle, ſo bitte ich euch,<lb/>
lieben Kinder! ſetzt euch hin, leſet nicht wei-<lb/>
ter, ſondern verſucht es, ob ihr wohl rathen<lb/>
koͤnnt, was das fuͤr eine <hirendition="#fr">alte Schuld</hi> gewe-<lb/>ſen ſey, die dem armen Tageloͤhner ſo auf dem<lb/>
Herzen lag, daß er ſich zwey Dreyer taͤglich<lb/>
vor dem Munde abzog, und ſie zur Bezah-<lb/>
lung derſelben anwendete. Wer es raͤth, der<lb/>ſoll auch die Freude haben, morgen einem<lb/><fwplace="bottom"type="catch">armen</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[314/0336]
alte Schuld bezahlen, die mich ſehr auf dem
Herzen druͤckt.“
Du ehrliches Blut! dachte ich bey mir
ſelbſt. Du haſt ſelbſt kaum das liebe Brod,
und denkſt doch daran, eine alte Schuld zu
bezahlen? Ich war ſehr begierig, zu wiſſen,
worinn doch die alte Schuld beſtehen moͤchte.
Ich konnte nicht anders vermuthen, als daß
er etwa fuͤr Bier, oder ein Paar Schuh, noch
etwas ſchuldig geblieben waͤre.
Ehe ich weiter erzaͤhle, ſo bitte ich euch,
lieben Kinder! ſetzt euch hin, leſet nicht wei-
ter, ſondern verſucht es, ob ihr wohl rathen
koͤnnt, was das fuͤr eine alte Schuld gewe-
ſen ſey, die dem armen Tageloͤhner ſo auf dem
Herzen lag, daß er ſich zwey Dreyer taͤglich
vor dem Munde abzog, und ſie zur Bezah-
lung derſelben anwendete. Wer es raͤth, der
ſoll auch die Freude haben, morgen einem
armen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 2. Leipzig, 1783, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib02_1783/336>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.