Keiner konnte ihn leiden, und kein Kind wollte mehr mit ihm umgehen. So blieb er in seinen Worten, in seinen Gebärden, in seinem gan- zen Betragen. Als er groß wurde, und von Universitäten kam, konnte er unter höflichen und artigen Leuten gar nicht fortkommen. Er wurde Informator; aber wie lange? Die Kinder lernten nichts als Grobheiten von ihm. Da wurde er bald abgeschafft. Und so giengs von einem zum andern, bis er sich zuletzt auf einem Dorfe einmiethen mußte, und unter den Bauern sein Leben endigte.
Lottchen hatte sonst den Ruhm eines arti- gen und fleißigen Kindes gehabt; aber seit einiger Zeit sich viele unhöfliche Manieren, insonderheit bey Tische, angewöhnt. Es ließ auch schon gegen andere mehr Unbescheidenheit blicken, als sonst; und, was das ärgste war, sogar gegen seine Aeltern. Die Mutter hatte neulich das kleine Kind auf dem Schooße.
Da
Keiner konnte ihn leiden, und kein Kind wollte mehr mit ihm umgehen. So blieb er in ſeinen Worten, in ſeinen Gebaͤrden, in ſeinem gan- zen Betragen. Als er groß wurde, und von Univerſitaͤten kam, konnte er unter hoͤflichen und artigen Leuten gar nicht fortkommen. Er wurde Informator; aber wie lange? Die Kinder lernten nichts als Grobheiten von ihm. Da wurde er bald abgeſchafft. Und ſo giengs von einem zum andern, bis er ſich zuletzt auf einem Dorfe einmiethen mußte, und unter den Bauern ſein Leben endigte.
Lottchen hatte ſonſt den Ruhm eines arti- gen und fleißigen Kindes gehabt; aber ſeit einiger Zeit ſich viele unhoͤfliche Manieren, inſonderheit bey Tiſche, angewoͤhnt. Es ließ auch ſchon gegen andere mehr Unbeſcheidenheit blicken, als ſonſt; und, was das aͤrgſte war, ſogar gegen ſeine Aeltern. Die Mutter hatte neulich das kleine Kind auf dem Schooße.
Da
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0164"n="142"/>
Keiner konnte ihn leiden, und kein Kind wollte<lb/>
mehr mit ihm umgehen. So blieb er in ſeinen<lb/>
Worten, in ſeinen Gebaͤrden, in ſeinem gan-<lb/>
zen Betragen. Als er groß wurde, und von<lb/>
Univerſitaͤten kam, konnte er unter hoͤflichen<lb/>
und artigen Leuten gar nicht fortkommen. Er<lb/>
wurde Informator; aber wie lange? Die<lb/>
Kinder lernten nichts als Grobheiten von<lb/>
ihm. Da wurde er bald abgeſchafft. Und<lb/>ſo giengs von einem zum andern, bis er ſich<lb/>
zuletzt auf einem Dorfe einmiethen mußte, und<lb/>
unter den Bauern ſein Leben endigte.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Lottchen</hi> hatte ſonſt den Ruhm eines arti-<lb/>
gen und fleißigen Kindes gehabt; aber ſeit<lb/>
einiger Zeit ſich viele unhoͤfliche Manieren,<lb/>
inſonderheit bey Tiſche, angewoͤhnt. Es ließ<lb/>
auch ſchon gegen andere mehr Unbeſcheidenheit<lb/>
blicken, als ſonſt; und, was das aͤrgſte war,<lb/>ſogar gegen ſeine Aeltern. Die Mutter hatte<lb/>
neulich das kleine Kind auf dem Schooße.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Da</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[142/0164]
Keiner konnte ihn leiden, und kein Kind wollte
mehr mit ihm umgehen. So blieb er in ſeinen
Worten, in ſeinen Gebaͤrden, in ſeinem gan-
zen Betragen. Als er groß wurde, und von
Univerſitaͤten kam, konnte er unter hoͤflichen
und artigen Leuten gar nicht fortkommen. Er
wurde Informator; aber wie lange? Die
Kinder lernten nichts als Grobheiten von
ihm. Da wurde er bald abgeſchafft. Und
ſo giengs von einem zum andern, bis er ſich
zuletzt auf einem Dorfe einmiethen mußte, und
unter den Bauern ſein Leben endigte.
Lottchen hatte ſonſt den Ruhm eines arti-
gen und fleißigen Kindes gehabt; aber ſeit
einiger Zeit ſich viele unhoͤfliche Manieren,
inſonderheit bey Tiſche, angewoͤhnt. Es ließ
auch ſchon gegen andere mehr Unbeſcheidenheit
blicken, als ſonſt; und, was das aͤrgſte war,
ſogar gegen ſeine Aeltern. Die Mutter hatte
neulich das kleine Kind auf dem Schooße.
Da
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 2. Leipzig, 1783, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib02_1783/164>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.