Dorchen. Ach! Mutter, kommen Sie schon wieder? Nu, wie ist es? Sie haben ja auch rothe Augen. Gewiß ist und bleibt er todt. Du lieber Gott!
Mutter. Ja wohl, leider! ist und bleibt er todt. Da haben wirs nun. Wie ist er ge- storben, und woran ist er gestorben, und zwar so plötzlich? Von nichts, als seiner Gefräßig- keit, davor ich euch täglich so herzlich warne. Da hat er so vielen heißen Klump über Tische, und vorher so vielen warmen Kuchen gefressen, daß es ihm das Herz abgestoßen hat. Ich bitte euch um Gottes willen, wenn ihr eure Gesundheit und euer Leben lieb habt, so ge- wöhnt euch nicht so heißhungrig und gefräßig. Ihr kriegt satt; aber was ich euch nicht gebe, dient euch auch nicht. Das muß ich besser wissen. Ich kann nicht immer hinter euch seyn. Esset ihr heimlich, ohne mein Vorwissen, an- derswo Kuchen, und dergleichen zu viel, oder
zu
G 4
Dorchen. Ach! Mutter, kommen Sie ſchon wieder? Nu, wie iſt es? Sie haben ja auch rothe Augen. Gewiß iſt und bleibt er todt. Du lieber Gott!
Mutter. Ja wohl, leider! iſt und bleibt er todt. Da haben wirs nun. Wie iſt er ge- ſtorben, und woran iſt er geſtorben, und zwar ſo ploͤtzlich? Von nichts, als ſeiner Gefraͤßig- keit, davor ich euch taͤglich ſo herzlich warne. Da hat er ſo vielen heißen Klump uͤber Tiſche, und vorher ſo vielen warmen Kuchen gefreſſen, daß es ihm das Herz abgeſtoßen hat. Ich bitte euch um Gottes willen, wenn ihr eure Geſundheit und euer Leben lieb habt, ſo ge- woͤhnt euch nicht ſo heißhungrig und gefraͤßig. Ihr kriegt ſatt; aber was ich euch nicht gebe, dient euch auch nicht. Das muß ich beſſer wiſſen. Ich kann nicht immer hinter euch ſeyn. Eſſet ihr heimlich, ohne mein Vorwiſſen, an- derswo Kuchen, und dergleichen zu viel, oder
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Dorchen. Ach! Mutter, kommen Sie
ſchon wieder? Nu, wie iſt es? Sie haben ja
auch rothe Augen. Gewiß iſt und bleibt er
todt. Du lieber Gott!
Mutter. Ja wohl, leider! iſt und bleibt
er todt. Da haben wirs nun. Wie iſt er ge-
ſtorben, und woran iſt er geſtorben, und zwar
ſo ploͤtzlich? Von nichts, als ſeiner Gefraͤßig-
keit, davor ich euch taͤglich ſo herzlich warne.
Da hat er ſo vielen heißen Klump uͤber Tiſche,
und vorher ſo vielen warmen Kuchen gefreſſen,
daß es ihm das Herz abgeſtoßen hat. Ich
bitte euch um Gottes willen, wenn ihr eure
Geſundheit und euer Leben lieb habt, ſo ge-
woͤhnt euch nicht ſo heißhungrig und gefraͤßig.
Ihr kriegt ſatt; aber was ich euch nicht gebe,
dient euch auch nicht. Das muß ich beſſer
wiſſen. Ich kann nicht immer hinter euch ſeyn.
Eſſet ihr heimlich, ohne mein Vorwiſſen, an-
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Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 2. Leipzig, 1783, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib02_1783/125>, abgerufen am 24.11.2024.
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