Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 1. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Was die Furcht bey den Leuten thut, da-
von will ich dir lächerliche und traurige Exem-
pel erzählen. Die Furcht vergrößert alles,
und stellt den Leuten just die Dinge vor, die
sie in ihrer Einbildung haben, als ob sie aus-
ser ihnen wirklich da stünden. Wenn viele
furchtsame Leute beysammen sind, und einer
glaubt einen Spuk zu sehen; so sehen sie ihn
alle so, wie ihn der eine beschreibt.

Ich reiste einmal des Nachts auf der
Post, wo allerhand Leute bey mir saßen, die
die ganze Nacht durch von Drachen, Gespen-
stern und solchen Erscheinungen sprachen.
Ich und noch ein vernünftiger Mann be-
mühten uns, ihnen das aus dem Kopfe zu
bringen. Sie blieben aber dabey, und sag-
ten: sie hätten es mit ihren Augen gesehen.
Als wir an die nächste Station kamen, bere-
dete ich mich mit dem Mann, wir wollten
vorgeben, wir sähen was, so würden die an-

dern

Was die Furcht bey den Leuten thut, da-
von will ich dir laͤcherliche und traurige Exem-
pel erzaͤhlen. Die Furcht vergroͤßert alles,
und ſtellt den Leuten juſt die Dinge vor, die
ſie in ihrer Einbildung haben, als ob ſie auſ-
ſer ihnen wirklich da ſtuͤnden. Wenn viele
furchtſame Leute beyſammen ſind, und einer
glaubt einen Spuk zu ſehen; ſo ſehen ſie ihn
alle ſo, wie ihn der eine beſchreibt.

Ich reiſte einmal des Nachts auf der
Poſt, wo allerhand Leute bey mir ſaßen, die
die ganze Nacht durch von Drachen, Geſpen-
ſtern und ſolchen Erſcheinungen ſprachen.
Ich und noch ein vernuͤnftiger Mann be-
muͤhten uns, ihnen das aus dem Kopfe zu
bringen. Sie blieben aber dabey, und ſag-
ten: ſie haͤtten es mit ihren Augen geſehen.
Als wir an die naͤchſte Station kamen, bere-
dete ich mich mit dem Mann, wir wollten
vorgeben, wir ſaͤhen was, ſo wuͤrden die an-

dern
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0194" n="172"/>
        <p>Was die Furcht bey den Leuten thut, da-<lb/>
von will ich dir la&#x0364;cherliche und traurige Exem-<lb/>
pel erza&#x0364;hlen. Die Furcht vergro&#x0364;ßert alles,<lb/>
und &#x017F;tellt den Leuten ju&#x017F;t die Dinge vor, die<lb/>
&#x017F;ie in ihrer Einbildung haben, als ob &#x017F;ie au&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er ihnen wirklich da &#x017F;tu&#x0364;nden. Wenn viele<lb/>
furcht&#x017F;ame Leute bey&#x017F;ammen &#x017F;ind, und einer<lb/>
glaubt einen Spuk zu &#x017F;ehen; &#x017F;o &#x017F;ehen &#x017F;ie ihn<lb/>
alle &#x017F;o, wie ihn der eine be&#x017F;chreibt.</p><lb/>
        <p>Ich rei&#x017F;te einmal des Nachts auf der<lb/>
Po&#x017F;t, wo allerhand Leute bey mir &#x017F;aßen, die<lb/>
die ganze Nacht durch von Drachen, Ge&#x017F;pen-<lb/>
&#x017F;tern und &#x017F;olchen Er&#x017F;cheinungen &#x017F;prachen.<lb/>
Ich und noch ein vernu&#x0364;nftiger Mann be-<lb/>
mu&#x0364;hten uns, ihnen das aus dem Kopfe zu<lb/>
bringen. Sie blieben aber dabey, und &#x017F;ag-<lb/>
ten: &#x017F;ie ha&#x0364;tten es mit ihren Augen ge&#x017F;ehen.<lb/>
Als wir an die na&#x0364;ch&#x017F;te Station kamen, bere-<lb/>
dete ich mich mit dem Mann, wir wollten<lb/>
vorgeben, wir &#x017F;a&#x0364;hen was, &#x017F;o wu&#x0364;rden die an-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dern</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0194] Was die Furcht bey den Leuten thut, da- von will ich dir laͤcherliche und traurige Exem- pel erzaͤhlen. Die Furcht vergroͤßert alles, und ſtellt den Leuten juſt die Dinge vor, die ſie in ihrer Einbildung haben, als ob ſie auſ- ſer ihnen wirklich da ſtuͤnden. Wenn viele furchtſame Leute beyſammen ſind, und einer glaubt einen Spuk zu ſehen; ſo ſehen ſie ihn alle ſo, wie ihn der eine beſchreibt. Ich reiſte einmal des Nachts auf der Poſt, wo allerhand Leute bey mir ſaßen, die die ganze Nacht durch von Drachen, Geſpen- ſtern und ſolchen Erſcheinungen ſprachen. Ich und noch ein vernuͤnftiger Mann be- muͤhten uns, ihnen das aus dem Kopfe zu bringen. Sie blieben aber dabey, und ſag- ten: ſie haͤtten es mit ihren Augen geſehen. Als wir an die naͤchſte Station kamen, bere- dete ich mich mit dem Mann, wir wollten vorgeben, wir ſaͤhen was, ſo wuͤrden die an- dern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib01_1783/194
Zitationshilfe: Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib01_1783/194>, abgerufen am 24.11.2024.