te sie, eben so viele, und doch war der Korb nicht größer als gewöhnlich. Da wurde sie brav ausgelacht. Durch die Neigung, groß- zuthun, und von sich zu prahlen, hatte sich Wilhelmine das Lügen angewöhnt.
Wenn Kinder gar zu strenge und scharf gehalten werden, so haben sie kein Vertrauen zu den Aeltern; sie werden Heuchler, und gewöhnen sich das Lügen, aus Furcht vor der Strafe, an. Hatte Fritze eine Unart ausgeübt, und wurde darüber zur Rede ge- stellt, so läugnete er, so lange er konnte; fieng an zu lügen, und wohl gar andern es Schuld zu geben.
Wird das Lügen erst Gewohnheit, so thun es die Kinder zuletzt, wenn sie größer werden, und der Verstand ihnen zu Hülfe kömmt, aus Tücke, Bosheit und Schaden- freude, zumal wenn sie sehen, daß sie mit den
Lügen
te ſie, eben ſo viele, und doch war der Korb nicht groͤßer als gewoͤhnlich. Da wurde ſie brav ausgelacht. Durch die Neigung, groß- zuthun, und von ſich zu prahlen, hatte ſich Wilhelmine das Luͤgen angewoͤhnt.
Wenn Kinder gar zu ſtrenge und ſcharf gehalten werden, ſo haben ſie kein Vertrauen zu den Aeltern; ſie werden Heuchler, und gewoͤhnen ſich das Luͤgen, aus Furcht vor der Strafe, an. Hatte Fritze eine Unart ausgeuͤbt, und wurde daruͤber zur Rede ge- ſtellt, ſo laͤugnete er, ſo lange er konnte; fieng an zu luͤgen, und wohl gar andern es Schuld zu geben.
Wird das Luͤgen erſt Gewohnheit, ſo thun es die Kinder zuletzt, wenn ſie groͤßer werden, und der Verſtand ihnen zu Huͤlfe koͤmmt, aus Tuͤcke, Bosheit und Schaden- freude, zumal wenn ſie ſehen, daß ſie mit den
Luͤgen
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te ſie, eben ſo viele, und doch war der Korb
nicht groͤßer als gewoͤhnlich. Da wurde ſie
brav ausgelacht. Durch die Neigung, groß-
zuthun, und von ſich zu prahlen, hatte ſich
Wilhelmine das Luͤgen angewoͤhnt.
Wenn Kinder gar zu ſtrenge und ſcharf
gehalten werden, ſo haben ſie kein Vertrauen
zu den Aeltern; ſie werden Heuchler, und
gewoͤhnen ſich das Luͤgen, aus Furcht vor
der Strafe, an. Hatte Fritze eine Unart
ausgeuͤbt, und wurde daruͤber zur Rede ge-
ſtellt, ſo laͤugnete er, ſo lange er konnte;
fieng an zu luͤgen, und wohl gar andern es
Schuld zu geben.
Wird das Luͤgen erſt Gewohnheit, ſo
thun es die Kinder zuletzt, wenn ſie groͤßer
werden, und der Verſtand ihnen zu Huͤlfe
koͤmmt, aus Tuͤcke, Bosheit und Schaden-
freude, zumal wenn ſie ſehen, daß ſie mit den
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Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib01_1783/131>, abgerufen am 16.07.2024.
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