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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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geht mir ein Schauder durch den ganzen Körper,
Wilhelm, wenn Albert sie um den schlanken Leib
faßt.

Und, darf ich's sagen? Warum nicht, Wil-
helm, sie wäre mit mir glüklicher geworden als
mit ihm! O er ist nicht der Mensch, die Wün-
sche dieses Herzens alle zu füllen. Ein gewisser
Mangel an Fühlbarkeit, ein Mangel -- nimm's
wie du willst, daß sein Herz nicht sympathetisch
schlägt bey -- Oh! -- bey der Stelle eines
lieben Buchs, wo mein Herz und Lottens in einem
zusammen treffen. Jn hundert andern Vorfällen,
wenn's kommt, daß unsere Empfindungen über eine
Handlung eines dritten laut werden. Lieber Wil-
helm! -- Zwar er liebt sie von ganzer Seele,
und so eine Liebe was verdient die nicht --

Ein unerträglicher Mensch hat mich unterbro-
chen. Meine Thränen sind getroknet. Jch bin
zerstreut. Adieu Lieber.

am
K



geht mir ein Schauder durch den ganzen Koͤrper,
Wilhelm, wenn Albert ſie um den ſchlanken Leib
faßt.

Und, darf ich’s ſagen? Warum nicht, Wil-
helm, ſie waͤre mit mir gluͤklicher geworden als
mit ihm! O er iſt nicht der Menſch, die Wuͤn-
ſche dieſes Herzens alle zu fuͤllen. Ein gewiſſer
Mangel an Fuͤhlbarkeit, ein Mangel — nimm’s
wie du willſt, daß ſein Herz nicht ſympathetiſch
ſchlaͤgt bey — Oh! — bey der Stelle eines
lieben Buchs, wo mein Herz und Lottens in einem
zuſammen treffen. Jn hundert andern Vorfaͤllen,
wenn’s kommt, daß unſere Empfindungen uͤber eine
Handlung eines dritten laut werden. Lieber Wil-
helm! — Zwar er liebt ſie von ganzer Seele,
und ſo eine Liebe was verdient die nicht —

Ein unertraͤglicher Menſch hat mich unterbro-
chen. Meine Thraͤnen ſind getroknet. Jch bin
zerſtreut. Adieu Lieber.

am
K
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[145/0033] geht mir ein Schauder durch den ganzen Koͤrper, Wilhelm, wenn Albert ſie um den ſchlanken Leib faßt. Und, darf ich’s ſagen? Warum nicht, Wil- helm, ſie waͤre mit mir gluͤklicher geworden als mit ihm! O er iſt nicht der Menſch, die Wuͤn- ſche dieſes Herzens alle zu fuͤllen. Ein gewiſſer Mangel an Fuͤhlbarkeit, ein Mangel — nimm’s wie du willſt, daß ſein Herz nicht ſympathetiſch ſchlaͤgt bey — Oh! — bey der Stelle eines lieben Buchs, wo mein Herz und Lottens in einem zuſammen treffen. Jn hundert andern Vorfaͤllen, wenn’s kommt, daß unſere Empfindungen uͤber eine Handlung eines dritten laut werden. Lieber Wil- helm! — Zwar er liebt ſie von ganzer Seele, und ſo eine Liebe was verdient die nicht — Ein unertraͤglicher Menſch hat mich unterbro- chen. Meine Thraͤnen ſind getroknet. Jch bin zerſtreut. Adieu Lieber. am K

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther02_1774/33>, abgerufen am 21.11.2024.