Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774.herunter gesunken, hat sich konvulsivisch um den Stuhl herum gewälzt, er lag gegen das Fenster entkräftet auf dem Rükken, war in völliger Klei- dung gestiefelt, im blauen Frak mit gelber Weste. Das Haus, die Nachbarschaft, die Stadt Von dem Weine hatte er nur ein Glas ge- Von Alberts Bestürzung, von Lottens Jam- Der alte Amtmann kam auf die Nachricht den
herunter geſunken, hat ſich konvulſiviſch um den Stuhl herum gewaͤlzt, er lag gegen das Fenſter entkraͤftet auf dem Ruͤkken, war in voͤlliger Klei- dung geſtiefelt, im blauen Frak mit gelber Weſte. Das Haus, die Nachbarſchaft, die Stadt Von dem Weine hatte er nur ein Glas ge- Von Alberts Beſtuͤrzung, von Lottens Jam- Der alte Amtmann kam auf die Nachricht den
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herunter geſunken, hat ſich konvulſiviſch um den
Stuhl herum gewaͤlzt, er lag gegen das Fenſter
entkraͤftet auf dem Ruͤkken, war in voͤlliger Klei-
dung geſtiefelt, im blauen Frak mit gelber Weſte.
Das Haus, die Nachbarſchaft, die Stadt
kam in Aufruhr. Albert trat herein. Werthern
hatte man auf’s Bett gelegt, die Stirne ver-
bunden, ſein Geſicht ſchon wie eines Todten, er
ruͤhrte kein Glied, die Lunge roͤchelte noch fuͤrchter-
lich bald ſchwach bald ſtaͤrker, man erwartete ſein
Ende.
Von dem Weine hatte er nur ein Glas ge-
trunken. Emilia Galotti lag auf dem Pulte aufge-
ſchlagen.
Von Alberts Beſtuͤrzung, von Lottens Jam-
mer laßt mich nichts ſagen.
Der alte Amtmann kam auf die Nachricht
hereingeſprengt, er kuͤßte den Sterbenden unter den
heiſſeſten Thraͤnen. Seine aͤltſten Soͤhne kamen
bald nach ihm zu Fuſſe, ſie fielen neben dem Bet-
te nieder im Ausdruk des unbaͤndigſten Schmer-
zens, kuͤßten ihm die Haͤnde und den Mund, und
der aͤltſte, den er immer am meiſten geliebt, hing
an ſeinen Lippen, bis er verſchieden war und man
den
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