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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Ein Nachbar sah den Blik vom Pulver und
hörte den Schuß fallen, da aber alles still blieb
achtete er nicht weiter drauf.

Morgens um sechse tritt der Bediente her-
ein mit dem Lichte, er findet seinen Herrn an
der Erde, die Pistole und Blut. Er ruft, er faßt
ihn an, keine Antwort, er röchelt nur noch. Er
lauft nach den Aerzten, nach Alberten. Lotte hör-
te die Schelle ziehen, ein Zittern ergreift all ih-
re Glieder, sie wekt ihren Mann, sie stehen auf,
der Bediente bringt heulend und stotternd die
Nachricht, Lotte sinkt ohnmächtig vor Alberten
nieder.

Als der Medikus zu dem Unglüklichen kam,
fand er ihn an der Erde ohne Rettung, der Puls
schlug, die Glieder waren alle gelähmt, über dem
rechten Auge hatte er sich durch den Kopf geschos-
sen, das Gehirn war herausgetrieben. Man ließ
ihm zum Ueberflusse eine Ader am Arme, das Blut
lief, er holte noch immer Athem.

Aus dem Blut auf der Lehne des Sessels
konnte man schliessen, er habe sizzend vor dem
Schreibtische die That vollbracht. Dann ist er

herun-




Ein Nachbar ſah den Blik vom Pulver und
hoͤrte den Schuß fallen, da aber alles ſtill blieb
achtete er nicht weiter drauf.

Morgens um ſechſe tritt der Bediente her-
ein mit dem Lichte, er findet ſeinen Herrn an
der Erde, die Piſtole und Blut. Er ruft, er faßt
ihn an, keine Antwort, er roͤchelt nur noch. Er
lauft nach den Aerzten, nach Alberten. Lotte hoͤr-
te die Schelle ziehen, ein Zittern ergreift all ih-
re Glieder, ſie wekt ihren Mann, ſie ſtehen auf,
der Bediente bringt heulend und ſtotternd die
Nachricht, Lotte ſinkt ohnmaͤchtig vor Alberten
nieder.

Als der Medikus zu dem Ungluͤklichen kam,
fand er ihn an der Erde ohne Rettung, der Puls
ſchlug, die Glieder waren alle gelaͤhmt, uͤber dem
rechten Auge hatte er ſich durch den Kopf geſchoſ-
ſen, das Gehirn war herausgetrieben. Man ließ
ihm zum Ueberfluſſe eine Ader am Arme, das Blut
lief, er holte noch immer Athem.

Aus dem Blut auf der Lehne des Seſſels
konnte man ſchlieſſen, er habe ſizzend vor dem
Schreibtiſche die That vollbracht. Dann iſt er

herun-
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[222/0110] Ein Nachbar ſah den Blik vom Pulver und hoͤrte den Schuß fallen, da aber alles ſtill blieb achtete er nicht weiter drauf. Morgens um ſechſe tritt der Bediente her- ein mit dem Lichte, er findet ſeinen Herrn an der Erde, die Piſtole und Blut. Er ruft, er faßt ihn an, keine Antwort, er roͤchelt nur noch. Er lauft nach den Aerzten, nach Alberten. Lotte hoͤr- te die Schelle ziehen, ein Zittern ergreift all ih- re Glieder, ſie wekt ihren Mann, ſie ſtehen auf, der Bediente bringt heulend und ſtotternd die Nachricht, Lotte ſinkt ohnmaͤchtig vor Alberten nieder. Als der Medikus zu dem Ungluͤklichen kam, fand er ihn an der Erde ohne Rettung, der Puls ſchlug, die Glieder waren alle gelaͤhmt, uͤber dem rechten Auge hatte er ſich durch den Kopf geſchoſ- ſen, das Gehirn war herausgetrieben. Man ließ ihm zum Ueberfluſſe eine Ader am Arme, das Blut lief, er holte noch immer Athem. Aus dem Blut auf der Lehne des Seſſels konnte man ſchlieſſen, er habe ſizzend vor dem Schreibtiſche die That vollbracht. Dann iſt er herun-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther02_1774/110>, abgerufen am 23.11.2024.