Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774.am 21. Aug. Umsonst strekke ich meine Arme nach ihr aus, am 22. Aug. Es ist ein Unglük, Wilhelm! all meine thätigen kein
am 21. Aug. Umſonſt ſtrekke ich meine Arme nach ihr aus, am 22. Aug. Es iſt ein Ungluͤk, Wilhelm! all meine thaͤtigen kein
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am 21. Aug.
Umſonſt ſtrekke ich meine Arme nach ihr aus,
Morgens wenn ich von ſchweren Traͤumen auf-
daͤmmere, vergebens ſuch ich ſie Nachts in meinem
Bette, wenn mich ein gluͤklicher unſchuldiger Traum
getaͤuſcht hat, als ſaͤß ich neben ihr auf der Wieſe,
und hielte ihre Hand und dekte ſie mit tauſend
Kuͤſſen. Ach wenn ich denn noch halb im Tau-
mel des Schlafs nach ihr tappe, und druͤber mich
ermuntere — Ein Strom von Thraͤnen bricht
aus meinem gepreßten Herzen, und ich weine
troſtlos einer finſtern Zukunft entgegen.
am 22. Aug.
Es iſt ein Ungluͤk, Wilhelm! all meine thaͤtigen
Kraͤfte ſind zu einer unruhigen Laͤſſigkeit ver-
ſtimmt, ich kann nicht muͤſſig ſeyn und wieder kann
ich nichts thun. Jch hab keine Vorſtellungskraft,
kein
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774/96>, abgerufen am 03.03.2025. |