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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774.

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Dem sey nun wie ihm wolle, meine Freude
bey Lotten zu seyn, ist hin! Soll ich das Thor
heit nennen oder Verblendung? -- Was braucht's
Nahmen! Erzählt die Sache an sich! -- Jch
wuste alles, was ich jezt weis, eh Albert kam, ich
wuste, daß ich keine Prätensionen auf sie zu machen
hatte, machte auch keine -- Heist das, insofern es
möglich ist, bey so viel Liebenswürdigkeiten nicht
zu begehren -- Und jezt macht der Frazze grosse
Augen, da der andere nun wirklich kommt, und ihm
das Mädgen wegnimmt.

Jch beisse die Zähne auf einander und spot-
te über mein Elend, und spottete derer doppelt und
dreyfach, die sagen könnten, ich sollte mich resigni-
ren, und weil's nun einmal nicht anders seyn
könnte. -- Schafft mir die Kerls vom Hals! --
Jch lause in den Wäldern herum, und wenn ich
zu Lotten komme, und Albert so bey ihr sizt im
Gärtgen unter der Laube, und ich nicht weiter
kann, so bin ich ausgelassen närrisch, und fange
viel Possen, viel verwirrtes Zeug an. Um Got-
tes willen, sagte mir Lotte heute, ich bitte Sie!
keine Scene wie die von gestern Abend! sie sind

fürch-


Dem ſey nun wie ihm wolle, meine Freude
bey Lotten zu ſeyn, iſt hin! Soll ich das Thor
heit nennen oder Verblendung? — Was braucht’s
Nahmen! Erzaͤhlt die Sache an ſich! — Jch
wuſte alles, was ich jezt weis, eh Albert kam, ich
wuſte, daß ich keine Praͤtenſionen auf ſie zu machen
hatte, machte auch keine — Heiſt das, inſofern es
moͤglich iſt, bey ſo viel Liebenswuͤrdigkeiten nicht
zu begehren — Und jezt macht der Frazze groſſe
Augen, da der andere nun wirklich kommt, und ihm
das Maͤdgen wegnimmt.

Jch beiſſe die Zaͤhne auf einander und ſpot-
te uͤber mein Elend, und ſpottete derer doppelt und
dreyfach, die ſagen koͤnnten, ich ſollte mich reſigni-
ren, und weil’s nun einmal nicht anders ſeyn
koͤnnte. — Schafft mir die Kerls vom Hals! —
Jch lauſe in den Waͤldern herum, und wenn ich
zu Lotten komme, und Albert ſo bey ihr ſizt im
Gaͤrtgen unter der Laube, und ich nicht weiter
kann, ſo bin ich ausgelaſſen naͤrriſch, und fange
viel Poſſen, viel verwirrtes Zeug an. Um Got-
tes willen, ſagte mir Lotte heute, ich bitte Sie!
keine Scene wie die von geſtern Abend! ſie ſind

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[74/0074] Dem ſey nun wie ihm wolle, meine Freude bey Lotten zu ſeyn, iſt hin! Soll ich das Thor heit nennen oder Verblendung? — Was braucht’s Nahmen! Erzaͤhlt die Sache an ſich! — Jch wuſte alles, was ich jezt weis, eh Albert kam, ich wuſte, daß ich keine Praͤtenſionen auf ſie zu machen hatte, machte auch keine — Heiſt das, inſofern es moͤglich iſt, bey ſo viel Liebenswuͤrdigkeiten nicht zu begehren — Und jezt macht der Frazze groſſe Augen, da der andere nun wirklich kommt, und ihm das Maͤdgen wegnimmt. Jch beiſſe die Zaͤhne auf einander und ſpot- te uͤber mein Elend, und ſpottete derer doppelt und dreyfach, die ſagen koͤnnten, ich ſollte mich reſigni- ren, und weil’s nun einmal nicht anders ſeyn koͤnnte. — Schafft mir die Kerls vom Hals! — Jch lauſe in den Waͤldern herum, und wenn ich zu Lotten komme, und Albert ſo bey ihr ſizt im Gaͤrtgen unter der Laube, und ich nicht weiter kann, ſo bin ich ausgelaſſen naͤrriſch, und fange viel Poſſen, viel verwirrtes Zeug an. Um Got- tes willen, ſagte mir Lotte heute, ich bitte Sie! keine Scene wie die von geſtern Abend! ſie ſind fuͤrch-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774/74>, abgerufen am 04.12.2024.