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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774.

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wenn ich Thon hätte oder Wachs, so wollt ich's
wohl herausbilden, ich werde auch Thon nehmen
wenn's länger währt, und kneten, und sollten's Ku-
chen werden.

Lottens Porträt habe ich dreymal angefan-
gen, und habe mich dreymal prostituirt, das mich
um so mehr verdriest, weil ich vor einiger Zeit sehr
glüklich im Treffen war, darauf hab ich denn ihren
Schattenriß gemacht, und damit soll mir genügen.




Jch habe mir schon so manchmal vorgenommen,
sie nicht so ost zu sehn. Ja wer das halten
könnte! Alle Tage unterlieg ich der Versuchung,
und verspreche mir heilig: Morgen willst du ein-
mal wegbleiben, und wenn der Morgen kommt,
find ich doch wieder eine unwiderstehliche Ursache,
und eh ich mich's versehe, bin ich bey ihr. Ent-
weder sie hat des Abends gesagt; Sie kommen
doch Morgen? -- Wer könnte da wegbleiben?
Oder der Tag ist gar zu schön, ich gehe nach Wahl-
heim, und wenn ich so da bin -- ist's nur noch

eine
E 4



wenn ich Thon haͤtte oder Wachs, ſo wollt ich’s
wohl herausbilden, ich werde auch Thon nehmen
wenn’s laͤnger waͤhrt, und kneten, und ſollten’s Ku-
chen werden.

Lottens Portraͤt habe ich dreymal angefan-
gen, und habe mich dreymal proſtituirt, das mich
um ſo mehr verdrieſt, weil ich vor einiger Zeit ſehr
gluͤklich im Treffen war, darauf hab ich denn ihren
Schattenriß gemacht, und damit ſoll mir genuͤgen.




Jch habe mir ſchon ſo manchmal vorgenommen,
ſie nicht ſo oſt zu ſehn. Ja wer das halten
koͤnnte! Alle Tage unterlieg ich der Verſuchung,
und verſpreche mir heilig: Morgen willſt du ein-
mal wegbleiben, und wenn der Morgen kommt,
find ich doch wieder eine unwiderſtehliche Urſache,
und eh ich mich’s verſehe, bin ich bey ihr. Ent-
weder ſie hat des Abends geſagt; Sie kommen
doch Morgen? — Wer koͤnnte da wegbleiben?
Oder der Tag iſt gar zu ſchoͤn, ich gehe nach Wahl-
heim, und wenn ich ſo da bin — iſt’s nur noch

eine
E 4
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[71/0071] wenn ich Thon haͤtte oder Wachs, ſo wollt ich’s wohl herausbilden, ich werde auch Thon nehmen wenn’s laͤnger waͤhrt, und kneten, und ſollten’s Ku- chen werden. Lottens Portraͤt habe ich dreymal angefan- gen, und habe mich dreymal proſtituirt, das mich um ſo mehr verdrieſt, weil ich vor einiger Zeit ſehr gluͤklich im Treffen war, darauf hab ich denn ihren Schattenriß gemacht, und damit ſoll mir genuͤgen. am 26. Juli. Jch habe mir ſchon ſo manchmal vorgenommen, ſie nicht ſo oſt zu ſehn. Ja wer das halten koͤnnte! Alle Tage unterlieg ich der Verſuchung, und verſpreche mir heilig: Morgen willſt du ein- mal wegbleiben, und wenn der Morgen kommt, find ich doch wieder eine unwiderſtehliche Urſache, und eh ich mich’s verſehe, bin ich bey ihr. Ent- weder ſie hat des Abends geſagt; Sie kommen doch Morgen? — Wer koͤnnte da wegbleiben? Oder der Tag iſt gar zu ſchoͤn, ich gehe nach Wahl- heim, und wenn ich ſo da bin — iſt’s nur noch eine E 4

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774/71>, abgerufen am 22.12.2024.