Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774.sich herabzulassen scheinen, um ihren Uebermuth dem armen Volke desto empfindlicher zu machen. Jch weiß wohl, daß wir nicht gleich sind, noch Lezthin kam ich zum Brunnen, und fand ein den 17. May. Jch hab allerley Bekanntschaft gemacht, Gesell- muß,
ſich herabzulaſſen ſcheinen, um ihren Uebermuth dem armen Volke deſto empfindlicher zu machen. Jch weiß wohl, daß wir nicht gleich ſind, noch Lezthin kam ich zum Brunnen, und fand ein den 17. May. Jch hab allerley Bekanntſchaft gemacht, Geſell- muß,
<TEI> <text> <body> <div type="diaryEntry"> <p><pb n="13" facs="#f0013"/><milestone unit="section" rendition="#hr"/><lb/> ſich herabzulaſſen ſcheinen, um ihren Uebermuth<lb/> dem armen Volke deſto empfindlicher zu machen.</p><lb/> <p>Jch weiß wohl, daß wir nicht gleich ſind, noch<lb/> ſeyn koͤnnen. Aber ich halte dafuͤr, daß der, der<lb/> glaubt noͤthig zu haben, vom ſogenannten Poͤbel<lb/> ſich zu entfernen, um den Reſpekt zu erhalten, eben<lb/> ſo tadelhaft iſt, als ein Feiger, der ſich fuͤr ſeinem<lb/> Feinde verbirgt, weil er zu unterliegen fuͤrchtet.</p><lb/> <p>Lezthin kam ich zum Brunnen, und fand ein<lb/> junges Dienſtmaͤdgen, das ihr Gefaͤß auf die un-<lb/> terſte Treppe geſetzt hatte, und ſich umſah, ob keine<lb/> Cameraͤdin kommen wollte, ihr’s auf den Kopf zu<lb/> helfen. Jch ſtieg hinunter und ſah ſie an. Soll<lb/> ich ihr helfen, Jungfer? ſagt ich. Sie ward roth<lb/> uͤber und uͤber. O nein Herr! ſagte ſie. — Ohne<lb/> Umſtaͤnde — Sie legte ihren Kringen zurechte,<lb/> und ich half ihr. Sie dankte und ſtieg hinauf.</p><lb/> </div> <milestone unit="section" rendition="#hr"/><lb/> <div type="diaryEntry"> <dateline> <hi rendition="#et">den 17. May.</hi> </dateline><lb/> <p><hi rendition="#in">J</hi>ch hab allerley Bekanntſchaft gemacht, Geſell-<lb/> ſchaft hab ich noch keine gefunden. Jch weiß<lb/> nicht, was ich anzuͤgliches fuͤr die Menſchen haben<lb/> <fw type="catch" place="bottom">muß,</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [13/0013]
ſich herabzulaſſen ſcheinen, um ihren Uebermuth
dem armen Volke deſto empfindlicher zu machen.
Jch weiß wohl, daß wir nicht gleich ſind, noch
ſeyn koͤnnen. Aber ich halte dafuͤr, daß der, der
glaubt noͤthig zu haben, vom ſogenannten Poͤbel
ſich zu entfernen, um den Reſpekt zu erhalten, eben
ſo tadelhaft iſt, als ein Feiger, der ſich fuͤr ſeinem
Feinde verbirgt, weil er zu unterliegen fuͤrchtet.
Lezthin kam ich zum Brunnen, und fand ein
junges Dienſtmaͤdgen, das ihr Gefaͤß auf die un-
terſte Treppe geſetzt hatte, und ſich umſah, ob keine
Cameraͤdin kommen wollte, ihr’s auf den Kopf zu
helfen. Jch ſtieg hinunter und ſah ſie an. Soll
ich ihr helfen, Jungfer? ſagt ich. Sie ward roth
uͤber und uͤber. O nein Herr! ſagte ſie. — Ohne
Umſtaͤnde — Sie legte ihren Kringen zurechte,
und ich half ihr. Sie dankte und ſtieg hinauf.
den 17. May.
Jch hab allerley Bekanntſchaft gemacht, Geſell-
ſchaft hab ich noch keine gefunden. Jch weiß
nicht, was ich anzuͤgliches fuͤr die Menſchen haben
muß,
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774/13>, abgerufen am 03.03.2025. |