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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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Welt gefallen mußte. Er hatte einen so ganz
eigenen Sinn, alles auf sie und erst durch sie
auf sich zu beziehen, daß es ihm eine unan¬
genehme Empfindung machte, wenn sich nicht
gleich ein Neuankommender mit aller Auf¬
merksamkeit auf sie richtete, und mit ihm,
wie es wegen seiner guten Eigenschaften be¬
sonders von älteren Personen oft geschah, eine
nähere Verbindung suchte ohne sich sonderlich
um sie zu bekümmern. Wegen des Architec¬
ten kam es bald zur Richtigkeit. Aufs Neu¬
jahr sollte ihm dieser folgen und das Carne¬
val mit ihm in der Stadt zubringen, wo
Luciane sich von der Wiederholung der so
schön eingerichteten Gemälde, so wie von
hundert andern Dingen, die größte Glückse¬
ligkeit versprach, um so mehr als Tante und
Bräutigam jeden Aufwand für gering zu ach¬
ten schienen, der zu ihrem Vergnügen erfor¬
dert wurde.

Nun sollte man scheiden, aber das konnte
nicht auf eine gewöhnliche Weise geschehen.

Welt gefallen mußte. Er hatte einen ſo ganz
eigenen Sinn, alles auf ſie und erſt durch ſie
auf ſich zu beziehen, daß es ihm eine unan¬
genehme Empfindung machte, wenn ſich nicht
gleich ein Neuankommender mit aller Auf¬
merkſamkeit auf ſie richtete, und mit ihm,
wie es wegen ſeiner guten Eigenſchaften be¬
ſonders von aͤlteren Perſonen oft geſchah, eine
naͤhere Verbindung ſuchte ohne ſich ſonderlich
um ſie zu bekuͤmmern. Wegen des Architec¬
ten kam es bald zur Richtigkeit. Aufs Neu¬
jahr ſollte ihm dieſer folgen und das Carne¬
val mit ihm in der Stadt zubringen, wo
Luciane ſich von der Wiederholung der ſo
ſchoͤn eingerichteten Gemaͤlde, ſo wie von
hundert andern Dingen, die groͤßte Gluͤckſe¬
ligkeit verſprach, um ſo mehr als Tante und
Braͤutigam jeden Aufwand fuͤr gering zu ach¬
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dert wurde.

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[94/0097] Welt gefallen mußte. Er hatte einen ſo ganz eigenen Sinn, alles auf ſie und erſt durch ſie auf ſich zu beziehen, daß es ihm eine unan¬ genehme Empfindung machte, wenn ſich nicht gleich ein Neuankommender mit aller Auf¬ merkſamkeit auf ſie richtete, und mit ihm, wie es wegen ſeiner guten Eigenſchaften be¬ ſonders von aͤlteren Perſonen oft geſchah, eine naͤhere Verbindung ſuchte ohne ſich ſonderlich um ſie zu bekuͤmmern. Wegen des Architec¬ ten kam es bald zur Richtigkeit. Aufs Neu¬ jahr ſollte ihm dieſer folgen und das Carne¬ val mit ihm in der Stadt zubringen, wo Luciane ſich von der Wiederholung der ſo ſchoͤn eingerichteten Gemaͤlde, ſo wie von hundert andern Dingen, die groͤßte Gluͤckſe¬ ligkeit verſprach, um ſo mehr als Tante und Braͤutigam jeden Aufwand fuͤr gering zu ach¬ ten ſchienen, der zu ihrem Vergnuͤgen erfor¬ dert wurde. Nun ſollte man ſcheiden, aber das konnte nicht auf eine gewoͤhnliche Weiſe geſchehen.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/97>, abgerufen am 23.11.2024.