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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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dringt, konnte dieses Herz zugleich mit ihm
besitzen.

Indessen je tiefer der Winter sich senkte,
je wilderes Wetter, je unzugänglicher die
Wege, desto anziehender schien es, in so guter
Gesellschaft die abnehmenden Tage zuzubrin¬
gen. Nach kurzen Ebben überflutete die
Menge von Zeit zu Zeit das Haus. Offiziere
von entfernteren Garnisonen, die gebildeten
zu ihrem großen Vortheil, die roheren zur
Unbequemlichkeit der Gesellschaft, zogen sich
herbey; am Civilstande fehlte es auch nicht,
und ganz unerwartet kamen eines Tages der
Graf und die Baronesse zusammen ange¬
fahren.

Ihre Gegenwart schien erst einen wahren
Hof zu bilden. Die Männer von Stand
und Sitten umgaben den Grafen, und die
Frauen ließen der Baronesse Gerechtigkeit wi¬
derfahren. Man verwunderte sich nicht lange,

dringt, konnte dieſes Herz zugleich mit ihm
beſitzen.

Indeſſen je tiefer der Winter ſich ſenkte,
je wilderes Wetter, je unzugaͤnglicher die
Wege, deſto anziehender ſchien es, in ſo guter
Geſellſchaft die abnehmenden Tage zuzubrin¬
gen. Nach kurzen Ebben uͤberflutete die
Menge von Zeit zu Zeit das Haus. Offiziere
von entfernteren Garniſonen, die gebildeten
zu ihrem großen Vortheil, die roheren zur
Unbequemlichkeit der Geſellſchaft, zogen ſich
herbey; am Civilſtande fehlte es auch nicht,
und ganz unerwartet kamen eines Tages der
Graf und die Baroneſſe zuſammen ange¬
fahren.

Ihre Gegenwart ſchien erſt einen wahren
Hof zu bilden. Die Maͤnner von Stand
und Sitten umgaben den Grafen, und die
Frauen ließen der Baroneſſe Gerechtigkeit wi¬
derfahren. Man verwunderte ſich nicht lange,

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[82/0085] dringt, konnte dieſes Herz zugleich mit ihm beſitzen. Indeſſen je tiefer der Winter ſich ſenkte, je wilderes Wetter, je unzugaͤnglicher die Wege, deſto anziehender ſchien es, in ſo guter Geſellſchaft die abnehmenden Tage zuzubrin¬ gen. Nach kurzen Ebben uͤberflutete die Menge von Zeit zu Zeit das Haus. Offiziere von entfernteren Garniſonen, die gebildeten zu ihrem großen Vortheil, die roheren zur Unbequemlichkeit der Geſellſchaft, zogen ſich herbey; am Civilſtande fehlte es auch nicht, und ganz unerwartet kamen eines Tages der Graf und die Baroneſſe zuſammen ange¬ fahren. Ihre Gegenwart ſchien erſt einen wahren Hof zu bilden. Die Maͤnner von Stand und Sitten umgaben den Grafen, und die Frauen ließen der Baroneſſe Gerechtigkeit wi¬ derfahren. Man verwunderte ſich nicht lange,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/85>, abgerufen am 24.11.2024.