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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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gen, diese oben auf dem Gipfel abgebildet zu
sehen. Er that es, obgleich ungern, weil sie
zu dem Character seines übrigen Entwurfs
nicht passen wollte. Was Lucianen betraf, so
war sie endlich von ihrer Ungeduld erlöst:
denn ihre Absicht war keineswegs eine gewis¬
senhafte Zeichnung von ihm zu haben. Hätte
er mit wenigen Strichen nur hinskizzirt, was
etwa einem Monument ähnlich gesehen, und
sich die übrige Zeit mit ihr abgegeben; so
wäre das wohl dem Endzweck und ihren
Wünschen gemäßer gewesen. Bey seinem Be¬
nehmen dagegen kam sie in die größte Ver¬
legenheit: denn ob sie gleich in ihrem
Schmerz, ihren Anordnungen und Andeutun¬
gen, ihrem Beyfall über das nach und nach
Entstehende, ziemlich abzuwechseln suchte und
sie ihn einigemal beynahe herumzerrte, um nur
mit ihm in eine Art von Verhältniß zu kommen;
so erwies er sich doch gar zu steif, dergestalt
daß sie allzuoft ihre Zuflucht zur Urne neh¬
men, sie an ihr Herz drücken und zum Him¬

gen, dieſe oben auf dem Gipfel abgebildet zu
ſehen. Er that es, obgleich ungern, weil ſie
zu dem Character ſeines uͤbrigen Entwurfs
nicht paſſen wollte. Was Lucianen betraf, ſo
war ſie endlich von ihrer Ungeduld erloͤſt:
denn ihre Abſicht war keineswegs eine gewiſ¬
ſenhafte Zeichnung von ihm zu haben. Haͤtte
er mit wenigen Strichen nur hinſkizzirt, was
etwa einem Monument aͤhnlich geſehen, und
ſich die uͤbrige Zeit mit ihr abgegeben; ſo
waͤre das wohl dem Endzweck und ihren
Wuͤnſchen gemaͤßer geweſen. Bey ſeinem Be¬
nehmen dagegen kam ſie in die groͤßte Ver¬
legenheit: denn ob ſie gleich in ihrem
Schmerz, ihren Anordnungen und Andeutun¬
gen, ihrem Beyfall uͤber das nach und nach
Entſtehende, ziemlich abzuwechſeln ſuchte und
ſie ihn einigemal beynahe herumzerrte, um nur
mit ihm in eine Art von Verhaͤltniß zu kommen;
ſo erwies er ſich doch gar zu ſteif, dergeſtalt
daß ſie allzuoft ihre Zuflucht zur Urne neh¬
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[58/0061] gen, dieſe oben auf dem Gipfel abgebildet zu ſehen. Er that es, obgleich ungern, weil ſie zu dem Character ſeines uͤbrigen Entwurfs nicht paſſen wollte. Was Lucianen betraf, ſo war ſie endlich von ihrer Ungeduld erloͤſt: denn ihre Abſicht war keineswegs eine gewiſ¬ ſenhafte Zeichnung von ihm zu haben. Haͤtte er mit wenigen Strichen nur hinſkizzirt, was etwa einem Monument aͤhnlich geſehen, und ſich die uͤbrige Zeit mit ihr abgegeben; ſo waͤre das wohl dem Endzweck und ihren Wuͤnſchen gemaͤßer geweſen. Bey ſeinem Be¬ nehmen dagegen kam ſie in die groͤßte Ver¬ legenheit: denn ob ſie gleich in ihrem Schmerz, ihren Anordnungen und Andeutun¬ gen, ihrem Beyfall uͤber das nach und nach Entſtehende, ziemlich abzuwechſeln ſuchte und ſie ihn einigemal beynahe herumzerrte, um nur mit ihm in eine Art von Verhaͤltniß zu kommen; ſo erwies er ſich doch gar zu ſteif, dergeſtalt daß ſie allzuoft ihre Zuflucht zur Urne neh¬ men, ſie an ihr Herz druͤcken und zum Him¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/61>, abgerufen am 24.11.2024.