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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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Wozu sie aber diese Verkleidungen haupt¬
sächlich benutzte, waren pantomimische Stel¬
lungen und Tänze, in denen sie verschiedene
Character auszudrücken gewandt war. Ein
Cavalier aus ihrem Gefolge hatte sich einge¬
richtet, auf dem Flügel ihre Gebärden mit
der wenigen nöthigen Musik zu begleiten; es
bedurfte nur einer kurzen Abrede und sie wa¬
ren sogleich in Einstimmung.

Eines Tages, als man sie bey der Pause
eines lebhaften Balls, auf ihren eigenen
heimlichen Antrieb, gleichsam aus dem Ste¬
gereife, zu einer solchen Darstellung aufge¬
fordert hatte; schien sie verlegen und über¬
rascht und ließ sich wider ihre Gewohnheit
lange bitten. Sie zeigte sich unentschlossen,
ließ die Wahl, bat wie ein Improvisator um
einen Gegenstand, bis endlich jener Clavier
spielende Gehülfe, mit dem es abgeredet
seyn mochte, sich an den Flügel setzte, einen
Trauermarsch zu spielen anfing und sie auf¬

Wozu ſie aber dieſe Verkleidungen haupt¬
ſaͤchlich benutzte, waren pantomimiſche Stel¬
lungen und Taͤnze, in denen ſie verſchiedene
Character auszudruͤcken gewandt war. Ein
Cavalier aus ihrem Gefolge hatte ſich einge¬
richtet, auf dem Fluͤgel ihre Gebaͤrden mit
der wenigen noͤthigen Muſik zu begleiten; es
bedurfte nur einer kurzen Abrede und ſie wa¬
ren ſogleich in Einſtimmung.

Eines Tages, als man ſie bey der Pauſe
eines lebhaften Balls, auf ihren eigenen
heimlichen Antrieb, gleichſam aus dem Ste¬
gereife, zu einer ſolchen Darſtellung aufge¬
fordert hatte; ſchien ſie verlegen und uͤber¬
raſcht und ließ ſich wider ihre Gewohnheit
lange bitten. Sie zeigte ſich unentſchloſſen,
ließ die Wahl, bat wie ein Improviſator um
einen Gegenſtand, bis endlich jener Clavier
ſpielende Gehuͤlfe, mit dem es abgeredet
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[55/0058] Wozu ſie aber dieſe Verkleidungen haupt¬ ſaͤchlich benutzte, waren pantomimiſche Stel¬ lungen und Taͤnze, in denen ſie verſchiedene Character auszudruͤcken gewandt war. Ein Cavalier aus ihrem Gefolge hatte ſich einge¬ richtet, auf dem Fluͤgel ihre Gebaͤrden mit der wenigen noͤthigen Muſik zu begleiten; es bedurfte nur einer kurzen Abrede und ſie wa¬ ren ſogleich in Einſtimmung. Eines Tages, als man ſie bey der Pauſe eines lebhaften Balls, auf ihren eigenen heimlichen Antrieb, gleichſam aus dem Ste¬ gereife, zu einer ſolchen Darſtellung aufge¬ fordert hatte; ſchien ſie verlegen und uͤber¬ raſcht und ließ ſich wider ihre Gewohnheit lange bitten. Sie zeigte ſich unentſchloſſen, ließ die Wahl, bat wie ein Improviſator um einen Gegenſtand, bis endlich jener Clavier ſpielende Gehuͤlfe, mit dem es abgeredet ſeyn mochte, ſich an den Fluͤgel ſetzte, einen Trauermarſch zu ſpielen anfing und ſie auf¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/58>, abgerufen am 24.11.2024.