Geliebtesten in stündlicher Gefahr wissen und dennoch unser tägliches gewöhnliches Leben immer so forttreiben.
Es war daher als wenn ein guter Geist für Ottilien gesorgt hätte, indem er auf einmal in diese Stille, in der sie einsam und unbeschäftigt zu versinken schien, ein wildes Heer hereinbrachte, das, indem es ihr von außen genug zu schaffen gab und sie aus sich selbst führte, zugleich in ihr das Gefühl eige¬ ner Kraft anregte.
Charlottens Tochter, Luciane, war kaum aus der Pension in die große Welt getreten, hatte kaum in dem Hause ihrer Tante sich von zahlreicher Gesellschaft umgeben gesehen, als ihr Gefallenwollen wirklich Gefallen er¬ regte, und ein junger, sehr reicher Mann gar bald eine heftige Neigung empfand, sie zu besitzen. Sein ansehnliches Vermögen gab ihm ein Recht, das Beste jeder Art sein
Geliebteſten in ſtuͤndlicher Gefahr wiſſen und dennoch unſer taͤgliches gewoͤhnliches Leben immer ſo forttreiben.
Es war daher als wenn ein guter Geiſt fuͤr Ottilien geſorgt haͤtte, indem er auf einmal in dieſe Stille, in der ſie einſam und unbeſchaͤftigt zu verſinken ſchien, ein wildes Heer hereinbrachte, das, indem es ihr von außen genug zu ſchaffen gab und ſie aus ſich ſelbſt fuͤhrte, zugleich in ihr das Gefuͤhl eige¬ ner Kraft anregte.
Charlottens Tochter, Luciane, war kaum aus der Penſion in die große Welt getreten, hatte kaum in dem Hauſe ihrer Tante ſich von zahlreicher Geſellſchaft umgeben geſehen, als ihr Gefallenwollen wirklich Gefallen er¬ regte, und ein junger, ſehr reicher Mann gar bald eine heftige Neigung empfand, ſie zu beſitzen. Sein anſehnliches Vermoͤgen gab ihm ein Recht, das Beſte jeder Art ſein
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Geliebteſten in ſtuͤndlicher Gefahr wiſſen und
dennoch unſer taͤgliches gewoͤhnliches Leben
immer ſo forttreiben.
Es war daher als wenn ein guter Geiſt
fuͤr Ottilien geſorgt haͤtte, indem er auf
einmal in dieſe Stille, in der ſie einſam und
unbeſchaͤftigt zu verſinken ſchien, ein wildes
Heer hereinbrachte, das, indem es ihr von
außen genug zu ſchaffen gab und ſie aus ſich
ſelbſt fuͤhrte, zugleich in ihr das Gefuͤhl eige¬
ner Kraft anregte.
Charlottens Tochter, Luciane, war kaum
aus der Penſion in die große Welt getreten,
hatte kaum in dem Hauſe ihrer Tante ſich
von zahlreicher Geſellſchaft umgeben geſehen,
als ihr Gefallenwollen wirklich Gefallen er¬
regte, und ein junger, ſehr reicher Mann gar
bald eine heftige Neigung empfand, ſie zu
beſitzen. Sein anſehnliches Vermoͤgen gab
ihm ein Recht, das Beſte jeder Art ſein
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/50>, abgerufen am 21.11.2024.
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