wand mit soviel Reinlichkeit als Geschicklich¬ keit anlegte.
Charlotte, welche gern sah wenn Ottilie sich auf irgend eine Weise beschäftigte und zerstreute, ließ die beyden gewähren und ging, um ihren eigenen Gedanken nachzuhängen, um ihre Betrachtungen und Sorgen, die sie niemanden mittheilen konnte, für sich durch¬ zuarbeiten.
Wenn gewöhnliche Menschen, durch ge¬ meine Verlegenheiten des Tags zu einem leidenschaftlich ängstlichen Betragen aufge¬ regt, uns ein mitleidiges Lächeln abnö¬ thigen; so betrachten wir dagegen mit Ehr¬ furcht ein Gemüth, in welchem die Saat ei¬ nes großen Schicksals ausgesäet worden, das die Entwickelung dieser Empfängniß abwarten muß, und weder das Gute noch das Böse, weder das Glückliche noch das Unglückliche
II. 3
wand mit ſoviel Reinlichkeit als Geſchicklich¬ keit anlegte.
Charlotte, welche gern ſah wenn Ottilie ſich auf irgend eine Weiſe beſchaͤftigte und zerſtreute, ließ die beyden gewaͤhren und ging, um ihren eigenen Gedanken nachzuhaͤngen, um ihre Betrachtungen und Sorgen, die ſie niemanden mittheilen konnte, fuͤr ſich durch¬ zuarbeiten.
Wenn gewoͤhnliche Menſchen, durch ge¬ meine Verlegenheiten des Tags zu einem leidenſchaftlich aͤngſtlichen Betragen aufge¬ regt, uns ein mitleidiges Laͤcheln abnoͤ¬ thigen; ſo betrachten wir dagegen mit Ehr¬ furcht ein Gemuͤth, in welchem die Saat ei¬ nes großen Schickſals ausgeſaͤet worden, das die Entwickelung dieſer Empfaͤngniß abwarten muß, und weder das Gute noch das Boͤſe, weder das Gluͤckliche noch das Ungluͤckliche
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wand mit ſoviel Reinlichkeit als Geſchicklich¬
keit anlegte.
Charlotte, welche gern ſah wenn Ottilie
ſich auf irgend eine Weiſe beſchaͤftigte und
zerſtreute, ließ die beyden gewaͤhren und ging,
um ihren eigenen Gedanken nachzuhaͤngen,
um ihre Betrachtungen und Sorgen, die ſie
niemanden mittheilen konnte, fuͤr ſich durch¬
zuarbeiten.
Wenn gewoͤhnliche Menſchen, durch ge¬
meine Verlegenheiten des Tags zu einem
leidenſchaftlich aͤngſtlichen Betragen aufge¬
regt, uns ein mitleidiges Laͤcheln abnoͤ¬
thigen; ſo betrachten wir dagegen mit Ehr¬
furcht ein Gemuͤth, in welchem die Saat ei¬
nes großen Schickſals ausgeſaͤet worden, das
die Entwickelung dieſer Empfaͤngniß abwarten
muß, und weder das Gute noch das Boͤſe,
weder das Gluͤckliche noch das Ungluͤckliche
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/36>, abgerufen am 24.11.2024.
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