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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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sen, erstarren; sie läuft zu Charlotten; man
kommt. Der ärztliche Hausfreund eilt her¬
bey; es scheint ihm nur eine Erschöpfung.
Er läßt etwas Kraftbrühe bringen; Ottilie
weist sie mit Abscheu weg, ja sie fällt fast in
Zuckungen als man die Tasse dem Munde
nähert. Er fragt mit Ernst und Hast, wie
es ihm der Umstand eingab: was Ottilie heu¬
te genossen habe? Das Mädchen stockt; er
wiederhohlt seine Frage, das Mädchen be¬
kennt, Ottilie habe nichts genossen.

Nanny erscheint ihm ängstlicher als billig.
Er reißt sie in ein Nebenzimmer, Charlotte
folgt, das Mädchen wirft sich auf die Kniee,
sie gesteht, daß Ottilie schon lange so gut wie
nichts genieße. Auf Andringen Ottiliens habe
sie die Speisen an ihrer Statt genossen; ver¬
schwiegen habe sie es wegen bittender und
drohender Gebärden ihrer Gebieterinn, und
auch, setzte sie unschuldig hinzu: weil es ihr
gar so gut geschmeckt.

ſen, erſtarren; ſie laͤuft zu Charlotten; man
kommt. Der aͤrztliche Hausfreund eilt her¬
bey; es ſcheint ihm nur eine Erſchoͤpfung.
Er laͤßt etwas Kraftbruͤhe bringen; Ottilie
weiſt ſie mit Abſcheu weg, ja ſie faͤllt faſt in
Zuckungen als man die Taſſe dem Munde
naͤhert. Er fragt mit Ernſt und Haſt, wie
es ihm der Umſtand eingab: was Ottilie heu¬
te genoſſen habe? Das Maͤdchen ſtockt; er
wiederhohlt ſeine Frage, das Maͤdchen be¬
kennt, Ottilie habe nichts genoſſen.

Nanny erſcheint ihm aͤngſtlicher als billig.
Er reißt ſie in ein Nebenzimmer, Charlotte
folgt, das Maͤdchen wirft ſich auf die Kniee,
ſie geſteht, daß Ottilie ſchon lange ſo gut wie
nichts genieße. Auf Andringen Ottiliens habe
ſie die Speiſen an ihrer Statt genoſſen; ver¬
ſchwiegen habe ſie es wegen bittender und
drohender Gebaͤrden ihrer Gebieterinn, und
auch, ſetzte ſie unſchuldig hinzu: weil es ihr
gar ſo gut geſchmeckt.

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[322/0325] ſen, erſtarren; ſie laͤuft zu Charlotten; man kommt. Der aͤrztliche Hausfreund eilt her¬ bey; es ſcheint ihm nur eine Erſchoͤpfung. Er laͤßt etwas Kraftbruͤhe bringen; Ottilie weiſt ſie mit Abſcheu weg, ja ſie faͤllt faſt in Zuckungen als man die Taſſe dem Munde naͤhert. Er fragt mit Ernſt und Haſt, wie es ihm der Umſtand eingab: was Ottilie heu¬ te genoſſen habe? Das Maͤdchen ſtockt; er wiederhohlt ſeine Frage, das Maͤdchen be¬ kennt, Ottilie habe nichts genoſſen. Nanny erſcheint ihm aͤngſtlicher als billig. Er reißt ſie in ein Nebenzimmer, Charlotte folgt, das Maͤdchen wirft ſich auf die Kniee, ſie geſteht, daß Ottilie ſchon lange ſo gut wie nichts genieße. Auf Andringen Ottiliens habe ſie die Speiſen an ihrer Statt genoſſen; ver¬ ſchwiegen habe ſie es wegen bittender und drohender Gebaͤrden ihrer Gebieterinn, und auch, ſetzte ſie unſchuldig hinzu: weil es ihr gar ſo gut geſchmeckt.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/325>, abgerufen am 23.11.2024.