Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.sie sollen nicht blos darstellen, wie sie einen "Es ist wohl wahr, die Sammlung des ſie ſollen nicht blos darſtellen, wie ſie einen „Es iſt wohl wahr, die Sammlung des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0032" n="29"/> ſie ſollen nicht blos darſtellen, wie ſie einen<lb/> Menſchen faſſen, ſondern wie Jeder ihn faſ¬<lb/> ſen wuͤrde. Es nimmt mich nicht Wunder,<lb/> wenn ſolche Kuͤnſtler nach und nach verſtockt,<lb/> gleichguͤltig und eigenſinnig werden. Daraus<lb/> moͤchte denn entſtehen was wollte, wenn man<lb/> nur nicht gerade daruͤber die Abbildungen ſo<lb/> mancher lieben und theueren Menſchen entbeh¬<lb/> ren muͤßte.“</p><lb/> <p>„Es iſt wohl wahr, die Sammlung des<lb/> Architecten von Waffen und alten Geraͤth¬<lb/> ſchaften, die nebſt dem Koͤrper mit hohen<lb/> Erdhuͤgeln und Felſenſtuͤcken zugedeckt waren,<lb/> bezeugt uns, wie unnuͤtz die Vorſorge des<lb/> Menſchen ſey fuͤr die Erhaltung ſeiner Per¬<lb/> ſoͤnlichkeit nach dem Tode. Und ſo wider¬<lb/> ſprechend ſind wir! Der Architect geſteht,<lb/> ſelbſt ſolche Grabhuͤgel der Vorfahren geoͤff¬<lb/> net zu haben und faͤhrt dennoch fort ſich<lb/> mit Denkmaͤlern fuͤr die Nachkommen zu be¬<lb/> ſchaͤftigen.“</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0032]
ſie ſollen nicht blos darſtellen, wie ſie einen
Menſchen faſſen, ſondern wie Jeder ihn faſ¬
ſen wuͤrde. Es nimmt mich nicht Wunder,
wenn ſolche Kuͤnſtler nach und nach verſtockt,
gleichguͤltig und eigenſinnig werden. Daraus
moͤchte denn entſtehen was wollte, wenn man
nur nicht gerade daruͤber die Abbildungen ſo
mancher lieben und theueren Menſchen entbeh¬
ren muͤßte.“
„Es iſt wohl wahr, die Sammlung des
Architecten von Waffen und alten Geraͤth¬
ſchaften, die nebſt dem Koͤrper mit hohen
Erdhuͤgeln und Felſenſtuͤcken zugedeckt waren,
bezeugt uns, wie unnuͤtz die Vorſorge des
Menſchen ſey fuͤr die Erhaltung ſeiner Per¬
ſoͤnlichkeit nach dem Tode. Und ſo wider¬
ſprechend ſind wir! Der Architect geſteht,
ſelbſt ſolche Grabhuͤgel der Vorfahren geoͤff¬
net zu haben und faͤhrt dennoch fort ſich
mit Denkmaͤlern fuͤr die Nachkommen zu be¬
ſchaͤftigen.“
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/32>, abgerufen am 16.02.2025. |