Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

ich vor dem Freunde, und nun habe ich nichts
mehr zu sagen. Ein strenges Ordensgelübde,
welches den der es mit Ueberlegung eingeht,
vielleicht unbequem ängstiget, habe ich zufäl¬
lig, vom Gefühl gedrungen, über mich ge¬
nommen. Laßt mich darin beharren, so lange
mir das Herz gebietet. Beruft keine Mit¬
telsperson! Dringt nicht in mich, daß ich re¬
den, daß ich mehr Speise und Trank ge¬
nießen soll, als ich höchstens bedarf. Helft
mir durch Nachsicht und Geduld über diese
Zeit hinweg. Ich bin jung, die Jugend stellt
sich unversehens wieder her. Duldet mich in
eurer Gegenwart, erfreut mich durch eure
Liebe, belehrt mich durch eure Unterhaltung;
aber mein Innres überlaßt mir selbst.


Die längst vorbereitete Abreise der Män¬
ner unterblieb, weil jenes auswärtige Geschäft
des Majors sich verzögerte: wie erwünscht für
Eduard! Nun durch Ottiliens Blatt aufs

ich vor dem Freunde, und nun habe ich nichts
mehr zu ſagen. Ein ſtrenges Ordensgeluͤbde,
welches den der es mit Ueberlegung eingeht,
vielleicht unbequem aͤngſtiget, habe ich zufaͤl¬
lig, vom Gefuͤhl gedrungen, uͤber mich ge¬
nommen. Laßt mich darin beharren, ſo lange
mir das Herz gebietet. Beruft keine Mit¬
telsperſon! Dringt nicht in mich, daß ich re¬
den, daß ich mehr Speiſe und Trank ge¬
nießen ſoll, als ich hoͤchſtens bedarf. Helft
mir durch Nachſicht und Geduld uͤber dieſe
Zeit hinweg. Ich bin jung, die Jugend ſtellt
ſich unverſehens wieder her. Duldet mich in
eurer Gegenwart, erfreut mich durch eure
Liebe, belehrt mich durch eure Unterhaltung;
aber mein Innres uͤberlaßt mir ſelbſt.


Die laͤngſt vorbereitete Abreiſe der Maͤn¬
ner unterblieb, weil jenes auswaͤrtige Geſchaͤft
des Majors ſich verzoͤgerte: wie erwuͤnſcht fuͤr
Eduard! Nun durch Ottiliens Blatt aufs

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0309" n="306"/>
ich vor dem Freunde, und nun habe ich nichts<lb/>
mehr zu &#x017F;agen. Ein &#x017F;trenges Ordensgelu&#x0364;bde,<lb/>
welches den der es mit Ueberlegung eingeht,<lb/>
vielleicht unbequem a&#x0364;ng&#x017F;tiget, habe ich zufa&#x0364;<lb/>
lig, vom Gefu&#x0364;hl gedrungen, u&#x0364;ber mich ge¬<lb/>
nommen. Laßt mich darin beharren, &#x017F;o lange<lb/>
mir das Herz gebietet. Beruft keine Mit¬<lb/>
telsper&#x017F;on! Dringt nicht in mich, daß ich re¬<lb/>
den, daß ich mehr Spei&#x017F;e und Trank ge¬<lb/>
nießen &#x017F;oll, als ich ho&#x0364;ch&#x017F;tens bedarf. Helft<lb/>
mir durch Nach&#x017F;icht und Geduld u&#x0364;ber die&#x017F;e<lb/>
Zeit hinweg. Ich bin jung, die Jugend &#x017F;tellt<lb/>
&#x017F;ich unver&#x017F;ehens wieder her. Duldet mich in<lb/>
eurer Gegenwart, erfreut mich durch eure<lb/>
Liebe, belehrt mich durch eure Unterhaltung;<lb/>
aber mein Innres u&#x0364;berlaßt mir &#x017F;elb&#x017F;t.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Die la&#x0364;ng&#x017F;t vorbereitete Abrei&#x017F;e der Ma&#x0364;<lb/>
ner unterblieb, weil jenes auswa&#x0364;rtige Ge&#x017F;cha&#x0364;ft<lb/>
des Majors &#x017F;ich verzo&#x0364;gerte: wie erwu&#x0364;n&#x017F;cht fu&#x0364;r<lb/>
Eduard! Nun durch Ottiliens Blatt aufs<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306/0309] ich vor dem Freunde, und nun habe ich nichts mehr zu ſagen. Ein ſtrenges Ordensgeluͤbde, welches den der es mit Ueberlegung eingeht, vielleicht unbequem aͤngſtiget, habe ich zufaͤl¬ lig, vom Gefuͤhl gedrungen, uͤber mich ge¬ nommen. Laßt mich darin beharren, ſo lange mir das Herz gebietet. Beruft keine Mit¬ telsperſon! Dringt nicht in mich, daß ich re¬ den, daß ich mehr Speiſe und Trank ge¬ nießen ſoll, als ich hoͤchſtens bedarf. Helft mir durch Nachſicht und Geduld uͤber dieſe Zeit hinweg. Ich bin jung, die Jugend ſtellt ſich unverſehens wieder her. Duldet mich in eurer Gegenwart, erfreut mich durch eure Liebe, belehrt mich durch eure Unterhaltung; aber mein Innres uͤberlaßt mir ſelbſt. Die laͤngſt vorbereitete Abreiſe der Maͤn¬ ner unterblieb, weil jenes auswaͤrtige Geſchaͤft des Majors ſich verzoͤgerte: wie erwuͤnſcht fuͤr Eduard! Nun durch Ottiliens Blatt aufs

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/309
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/309>, abgerufen am 22.11.2024.