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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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thinn, als sie ihn erblickte, zurück. Auch
Ottilien konnte er nicht einen Augenblick ver¬
borgen bleiben. Er wendete sich gegen sie,
und so standen die Liebenden abermals auf
die seltsamste Weise gegen einander. Sie sah
ihn ruhig und ernsthaft an, ohne vor oder
zurückzugehen, und als er eine Bewegung
machte, sich ihr zu nähern, trat sie einige
Schritte zurück bis an den Tisch. Auch er
trat wieder zurück. Ottilie, rief er aus, laß
mich das furchtbare Schweigen brechen! Sind
wir nur Schatten, die einander gegenüber
stehen? Aber vor allen Dingen höre! es ist
Zufall, daß du mich gleich jetzt hier findest.
Neben dir liegt ein Brief, der dich vorberei¬
ten sollte. Lies, ich bitte dich, lies ihn! und
dann beschließe was du kannst.

Sie blickte herab auf den Brief und nach
einigem Besinnen nahm sie ihn auf, erbrach
und las ihn. Ohne die Miene zu verändern,
hatte sie ihn gelesen und so legte sie ihn leise

thinn, als ſie ihn erblickte, zuruͤck. Auch
Ottilien konnte er nicht einen Augenblick ver¬
borgen bleiben. Er wendete ſich gegen ſie,
und ſo ſtanden die Liebenden abermals auf
die ſeltſamſte Weiſe gegen einander. Sie ſah
ihn ruhig und ernſthaft an, ohne vor oder
zuruͤckzugehen, und als er eine Bewegung
machte, ſich ihr zu naͤhern, trat ſie einige
Schritte zuruͤck bis an den Tiſch. Auch er
trat wieder zuruͤck. Ottilie, rief er aus, laß
mich das furchtbare Schweigen brechen! Sind
wir nur Schatten, die einander gegenuͤber
ſtehen? Aber vor allen Dingen hoͤre! es iſt
Zufall, daß du mich gleich jetzt hier findeſt.
Neben dir liegt ein Brief, der dich vorberei¬
ten ſollte. Lies, ich bitte dich, lies ihn! und
dann beſchließe was du kannſt.

Sie blickte herab auf den Brief und nach
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[296/0299] thinn, als ſie ihn erblickte, zuruͤck. Auch Ottilien konnte er nicht einen Augenblick ver¬ borgen bleiben. Er wendete ſich gegen ſie, und ſo ſtanden die Liebenden abermals auf die ſeltſamſte Weiſe gegen einander. Sie ſah ihn ruhig und ernſthaft an, ohne vor oder zuruͤckzugehen, und als er eine Bewegung machte, ſich ihr zu naͤhern, trat ſie einige Schritte zuruͤck bis an den Tiſch. Auch er trat wieder zuruͤck. Ottilie, rief er aus, laß mich das furchtbare Schweigen brechen! Sind wir nur Schatten, die einander gegenuͤber ſtehen? Aber vor allen Dingen hoͤre! es iſt Zufall, daß du mich gleich jetzt hier findeſt. Neben dir liegt ein Brief, der dich vorberei¬ ten ſollte. Lies, ich bitte dich, lies ihn! und dann beſchließe was du kannſt. Sie blickte herab auf den Brief und nach einigem Beſinnen nahm ſie ihn auf, erbrach und las ihn. Ohne die Miene zu veraͤndern, hatte ſie ihn geleſen und ſo legte ſie ihn leiſe

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/299>, abgerufen am 23.11.2024.