Neigung; ja sie schien, durch unterhaltende Redseligkeit, das bisher Versäumte wieder nachbringen und sich ihrer geliebten Herrinn völlig widmen zu wollen. Ganz außer sich war sie nun über das Glück mitzureisen, fremde Gegenden zu sehen, da sie noch nie¬ mals außer ihrem Geburtsort gewesen, und rannte vom Schlosse ins Dorf, zu ihren Ael¬ tern, Verwandten, um ihr Glück zu verkündi¬ gen und Abschied zu nehmen. Unglücklicher¬ weise traf sie dabey in die Zimmer der Ma¬ serkranken und empfand sogleich die Folgen der Ansteckung. Man wollte die Reise nicht aufschieben; Ottilie drang selbst darauf: sie hatte den Weg schon gemacht, sie kannte die Wirthsleute bey denen sie einkehren sollte, der Kutscher vom Schlosse führte sie; es war nichts zu besorgen.
Charlotte widersetzte sich nicht; auch sie eilte schon in Gedanken aus diesen Umgebun¬ gen weg, nur wollte sie noch die Zimmer die
Neigung; ja ſie ſchien, durch unterhaltende Redſeligkeit, das bisher Verſaͤumte wieder nachbringen und ſich ihrer geliebten Herrinn voͤllig widmen zu wollen. Ganz außer ſich war ſie nun uͤber das Gluͤck mitzureiſen, fremde Gegenden zu ſehen, da ſie noch nie¬ mals außer ihrem Geburtsort geweſen, und rannte vom Schloſſe ins Dorf, zu ihren Ael¬ tern, Verwandten, um ihr Gluͤck zu verkuͤndi¬ gen und Abſchied zu nehmen. Ungluͤcklicher¬ weiſe traf ſie dabey in die Zimmer der Ma¬ ſerkranken und empfand ſogleich die Folgen der Anſteckung. Man wollte die Reiſe nicht aufſchieben; Ottilie drang ſelbſt darauf: ſie hatte den Weg ſchon gemacht, ſie kannte die Wirthsleute bey denen ſie einkehren ſollte, der Kutſcher vom Schloſſe fuͤhrte ſie; es war nichts zu beſorgen.
Charlotte widerſetzte ſich nicht; auch ſie eilte ſchon in Gedanken aus dieſen Umgebun¬ gen weg, nur wollte ſie noch die Zimmer die
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Neigung; ja ſie ſchien, durch unterhaltende
Redſeligkeit, das bisher Verſaͤumte wieder
nachbringen und ſich ihrer geliebten Herrinn
voͤllig widmen zu wollen. Ganz außer ſich
war ſie nun uͤber das Gluͤck mitzureiſen,
fremde Gegenden zu ſehen, da ſie noch nie¬
mals außer ihrem Geburtsort geweſen, und
rannte vom Schloſſe ins Dorf, zu ihren Ael¬
tern, Verwandten, um ihr Gluͤck zu verkuͤndi¬
gen und Abſchied zu nehmen. Ungluͤcklicher¬
weiſe traf ſie dabey in die Zimmer der Ma¬
ſerkranken und empfand ſogleich die Folgen
der Anſteckung. Man wollte die Reiſe nicht
aufſchieben; Ottilie drang ſelbſt darauf: ſie
hatte den Weg ſchon gemacht, ſie kannte
die Wirthsleute bey denen ſie einkehren ſollte,
der Kutſcher vom Schloſſe fuͤhrte ſie; es war
nichts zu beſorgen.
Charlotte widerſetzte ſich nicht; auch ſie
eilte ſchon in Gedanken aus dieſen Umgebun¬
gen weg, nur wollte ſie noch die Zimmer die
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/290>, abgerufen am 24.11.2024.
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