Ottilien selbst, theils durch Briefe des Majors erfahren.
Ottilie von ihrer Seite erleichterte Char¬ lotten sehr das augenblickliche Leben. Sie war offen, ja gesprächig, aber niemals war von dem Gegenwärtigen oder kurz Vergange¬ nen die Rede. Sie hatte stets aufgemerkt, stets beobachtet, sie wußte viel; das kam jetzt alles zum Vorschein. Sie unterhielt, sie zer¬ streute Charlotten, die noch immer die stille Hoffnung nährte, ein ihr so werthes Paar verbunden zu sehen.
Allein bey Ottilien hing es anders zusam¬ men. Sie hatte das Geheimniß ihres Le¬ bensganges der Freundinn entdeckt; sie war von ihrer frühen Einschränkung, von ihrer Dienstbarkeit entbunden. Durch ihre Reue, durch ihren Entschluß fühlte sie sich auch be¬ freyt von der Last jenes Vergehens, jenes Mißgeschicks. Sie bedurfte keiner Gewalt
II. 18
Ottilien ſelbſt, theils durch Briefe des Majors erfahren.
Ottilie von ihrer Seite erleichterte Char¬ lotten ſehr das augenblickliche Leben. Sie war offen, ja geſpraͤchig, aber niemals war von dem Gegenwaͤrtigen oder kurz Vergange¬ nen die Rede. Sie hatte ſtets aufgemerkt, ſtets beobachtet, ſie wußte viel; das kam jetzt alles zum Vorſchein. Sie unterhielt, ſie zer¬ ſtreute Charlotten, die noch immer die ſtille Hoffnung naͤhrte, ein ihr ſo werthes Paar verbunden zu ſehen.
Allein bey Ottilien hing es anders zuſam¬ men. Sie hatte das Geheimniß ihres Le¬ bensganges der Freundinn entdeckt; ſie war von ihrer fruͤhen Einſchraͤnkung, von ihrer Dienſtbarkeit entbunden. Durch ihre Reue, durch ihren Entſchluß fuͤhlte ſie ſich auch be¬ freyt von der Laſt jenes Vergehens, jenes Mißgeſchicks. Sie bedurfte keiner Gewalt
II. 18
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Ottilien ſelbſt, theils durch Briefe des Majors
erfahren.
Ottilie von ihrer Seite erleichterte Char¬
lotten ſehr das augenblickliche Leben. Sie
war offen, ja geſpraͤchig, aber niemals war
von dem Gegenwaͤrtigen oder kurz Vergange¬
nen die Rede. Sie hatte ſtets aufgemerkt,
ſtets beobachtet, ſie wußte viel; das kam jetzt
alles zum Vorſchein. Sie unterhielt, ſie zer¬
ſtreute Charlotten, die noch immer die ſtille
Hoffnung naͤhrte, ein ihr ſo werthes Paar
verbunden zu ſehen.
Allein bey Ottilien hing es anders zuſam¬
men. Sie hatte das Geheimniß ihres Le¬
bensganges der Freundinn entdeckt; ſie war
von ihrer fruͤhen Einſchraͤnkung, von ihrer
Dienſtbarkeit entbunden. Durch ihre Reue,
durch ihren Entſchluß fuͤhlte ſie ſich auch be¬
freyt von der Laſt jenes Vergehens, jenes
Mißgeſchicks. Sie bedurfte keiner Gewalt
II. 18
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/276>, abgerufen am 24.11.2024.
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