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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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selbst wieder finden, daß der Zufall uns lei¬
ten und begünstigen solle; so wäre dieß ein
sträflicher Selbstbetrug. Auf diese Weise kön¬
nen wir uns unmöglich retten, unsre allseitige
Ruhe nicht wiederherstellen; und wie sollte
ich mich trösten können, da ich unschuldig die
Schuld an allem bin! Durch meine Zudring¬
lichkeit habe ich Charlotten vermocht, dich ins
Haus zu nehmen, und auch Ottilie ist nur
in Gefolg von dieser Veränderung bey uns ein¬
getreten. Wir sind nicht mehr Herr über das
was daraus entsprungen ist, aber wir sind
Herr, es unschädlich zu machen, die Verhält¬
nisse zu unserm Glücke zu leiten. Magst du
die Augen von den schönen und freundlichen
Aussichten abwenden, die ich uns eröffne, magst
du mir, magst du uns allen ein trauriges Ent¬
sagen gebieten, insofern du dir's möglich denkst,
insofern es möglich wäre: ist denn nicht auch
alsdann, wenn wir uns vornehmen in die
alten Zustände zurückzukehren, manches Un¬
schickliche, Unbequeme, Verdrießliche zu über¬

ſelbſt wieder finden, daß der Zufall uns lei¬
ten und beguͤnſtigen ſolle; ſo waͤre dieß ein
ſtraͤflicher Selbſtbetrug. Auf dieſe Weiſe koͤn¬
nen wir uns unmoͤglich retten, unſre allſeitige
Ruhe nicht wiederherſtellen; und wie ſollte
ich mich troͤſten koͤnnen, da ich unſchuldig die
Schuld an allem bin! Durch meine Zudring¬
lichkeit habe ich Charlotten vermocht, dich ins
Haus zu nehmen, und auch Ottilie iſt nur
in Gefolg von dieſer Veraͤnderung bey uns ein¬
getreten. Wir ſind nicht mehr Herr uͤber das
was daraus entſprungen iſt, aber wir ſind
Herr, es unſchaͤdlich zu machen, die Verhaͤlt¬
niſſe zu unſerm Gluͤcke zu leiten. Magſt du
die Augen von den ſchoͤnen und freundlichen
Ausſichten abwenden, die ich uns eroͤffne, magſt
du mir, magſt du uns allen ein trauriges Ent¬
ſagen gebieten, inſofern du dir's moͤglich denkſt,
inſofern es moͤglich waͤre: iſt denn nicht auch
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[239/0242] ſelbſt wieder finden, daß der Zufall uns lei¬ ten und beguͤnſtigen ſolle; ſo waͤre dieß ein ſtraͤflicher Selbſtbetrug. Auf dieſe Weiſe koͤn¬ nen wir uns unmoͤglich retten, unſre allſeitige Ruhe nicht wiederherſtellen; und wie ſollte ich mich troͤſten koͤnnen, da ich unſchuldig die Schuld an allem bin! Durch meine Zudring¬ lichkeit habe ich Charlotten vermocht, dich ins Haus zu nehmen, und auch Ottilie iſt nur in Gefolg von dieſer Veraͤnderung bey uns ein¬ getreten. Wir ſind nicht mehr Herr uͤber das was daraus entſprungen iſt, aber wir ſind Herr, es unſchaͤdlich zu machen, die Verhaͤlt¬ niſſe zu unſerm Gluͤcke zu leiten. Magſt du die Augen von den ſchoͤnen und freundlichen Ausſichten abwenden, die ich uns eroͤffne, magſt du mir, magſt du uns allen ein trauriges Ent¬ ſagen gebieten, inſofern du dir's moͤglich denkſt, inſofern es moͤglich waͤre: iſt denn nicht auch alsdann, wenn wir uns vornehmen in die alten Zuſtaͤnde zuruͤckzukehren, manches Un¬ ſchickliche, Unbequeme, Verdrießliche zu uͤber¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/242>, abgerufen am 22.11.2024.