Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

er möge sie entlassen, weil ihr Kopfweh sich
wieder einstelle. Er darüber verwundert, ja
entzückt, versicherte ihr mit Enthusiasmus,
daß er sie von diesem Uebel völlig heilen wolle,
wenn sie sich seiner Kurart anvertraue. Man
war einen Augenblick ungewiß; Charlotte aber
die geschwind begriff wovon die Rede sey,
lehnte den wohlgesinnten Antrag ab, weil sie
nicht gemeynt war, in ihrer Umgebung etwas
zuzulassen, wovor sie immerfort eine starke
Apprehension gefühlt hatte.

Die Fremden hatten sich entfernt, und un¬
geachtet man von ihnen auf eine sonderbare
Weise berührt worden war, doch den Wunsch
zurückgelassen, daß man sie irgendwo wieder
antreffen möchte. Charlotte benutzte nunmehr
die schönen Tage, um in der Nachbarschaft
ihre Gegenbesuche zu enden, womit sie kaum
fertig werden konnte, indem sich die ganze
Landschaft umher, einige wahrhaft theilneh¬
mend, andre blos der Gewohnheit wegen,

er moͤge ſie entlaſſen, weil ihr Kopfweh ſich
wieder einſtelle. Er daruͤber verwundert, ja
entzuͤckt, verſicherte ihr mit Enthuſiasmus,
daß er ſie von dieſem Uebel voͤllig heilen wolle,
wenn ſie ſich ſeiner Kurart anvertraue. Man
war einen Augenblick ungewiß; Charlotte aber
die geſchwind begriff wovon die Rede ſey,
lehnte den wohlgeſinnten Antrag ab, weil ſie
nicht gemeynt war, in ihrer Umgebung etwas
zuzulaſſen, wovor ſie immerfort eine ſtarke
Apprehenſion gefuͤhlt hatte.

Die Fremden hatten ſich entfernt, und un¬
geachtet man von ihnen auf eine ſonderbare
Weiſe beruͤhrt worden war, doch den Wunſch
zuruͤckgelaſſen, daß man ſie irgendwo wieder
antreffen moͤchte. Charlotte benutzte nunmehr
die ſchoͤnen Tage, um in der Nachbarſchaft
ihre Gegenbeſuche zu enden, womit ſie kaum
fertig werden konnte, indem ſich die ganze
Landſchaft umher, einige wahrhaft theilneh¬
mend, andre blos der Gewohnheit wegen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0227" n="224"/>
er mo&#x0364;ge &#x017F;ie entla&#x017F;&#x017F;en, weil ihr Kopfweh &#x017F;ich<lb/>
wieder ein&#x017F;telle. Er daru&#x0364;ber verwundert, ja<lb/>
entzu&#x0364;ckt, ver&#x017F;icherte ihr mit Enthu&#x017F;iasmus,<lb/>
daß er &#x017F;ie von die&#x017F;em Uebel vo&#x0364;llig heilen wolle,<lb/>
wenn &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;einer Kurart anvertraue. Man<lb/>
war einen Augenblick ungewiß; Charlotte aber<lb/>
die ge&#x017F;chwind begriff wovon die Rede &#x017F;ey,<lb/>
lehnte den wohlge&#x017F;innten Antrag ab, weil &#x017F;ie<lb/>
nicht gemeynt war, in ihrer Umgebung etwas<lb/>
zuzula&#x017F;&#x017F;en, wovor &#x017F;ie immerfort eine &#x017F;tarke<lb/>
Apprehen&#x017F;ion gefu&#x0364;hlt hatte.</p><lb/>
        <p>Die Fremden hatten &#x017F;ich entfernt, und un¬<lb/>
geachtet man von ihnen auf eine &#x017F;onderbare<lb/>
Wei&#x017F;e beru&#x0364;hrt worden war, doch den Wun&#x017F;ch<lb/>
zuru&#x0364;ckgela&#x017F;&#x017F;en, daß man &#x017F;ie irgendwo wieder<lb/>
antreffen mo&#x0364;chte. Charlotte benutzte nunmehr<lb/>
die &#x017F;cho&#x0364;nen Tage, um in der Nachbar&#x017F;chaft<lb/>
ihre Gegenbe&#x017F;uche zu enden, womit &#x017F;ie kaum<lb/>
fertig werden konnte, indem &#x017F;ich die ganze<lb/>
Land&#x017F;chaft umher, einige wahrhaft theilneh¬<lb/>
mend, andre blos der Gewohnheit wegen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0227] er moͤge ſie entlaſſen, weil ihr Kopfweh ſich wieder einſtelle. Er daruͤber verwundert, ja entzuͤckt, verſicherte ihr mit Enthuſiasmus, daß er ſie von dieſem Uebel voͤllig heilen wolle, wenn ſie ſich ſeiner Kurart anvertraue. Man war einen Augenblick ungewiß; Charlotte aber die geſchwind begriff wovon die Rede ſey, lehnte den wohlgeſinnten Antrag ab, weil ſie nicht gemeynt war, in ihrer Umgebung etwas zuzulaſſen, wovor ſie immerfort eine ſtarke Apprehenſion gefuͤhlt hatte. Die Fremden hatten ſich entfernt, und un¬ geachtet man von ihnen auf eine ſonderbare Weiſe beruͤhrt worden war, doch den Wunſch zuruͤckgelaſſen, daß man ſie irgendwo wieder antreffen moͤchte. Charlotte benutzte nunmehr die ſchoͤnen Tage, um in der Nachbarſchaft ihre Gegenbeſuche zu enden, womit ſie kaum fertig werden konnte, indem ſich die ganze Landſchaft umher, einige wahrhaft theilneh¬ mend, andre blos der Gewohnheit wegen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/227
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/227>, abgerufen am 22.11.2024.