Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Widersacher sich nicht sehr brav gehalten und
seine Gegnerinn doch noch zuletzt entwaffnet
und gefangen genommen hätte. Aber auch
da noch wehrte sie sich so gewaltsam, daß er,
um seine Augen zu erhalten, und die Fein¬
dinn doch nicht zu beschädigen, sein seidenes
Halstuch abreißen und ihr die Hände damit
auf den Rücken binden mußte.

Dieß verzieh sie ihm nie, ja sie machte
so heimliche Anstalten und Versuche ihn zu
beschädigen, daß die Aeltern, die auf diese
seltsamen Leidenschaften schon längst Acht ge¬
habt, sich mit einander verständigten und be¬
schlossen, die beyden feindlichen Wesen zu
trennen und jene lieblichen Hoffnungen aufzu¬
geben.

Der Knabe that sich in seinen neuen Ver¬
hältnissen bald hervor. Jede Art von Unter¬
richt schlug bey ihm an. Gönner und eigene
Neigung bestimmten ihn zum Soldatenstande.

Widerſacher ſich nicht ſehr brav gehalten und
ſeine Gegnerinn doch noch zuletzt entwaffnet
und gefangen genommen haͤtte. Aber auch
da noch wehrte ſie ſich ſo gewaltſam, daß er,
um ſeine Augen zu erhalten, und die Fein¬
dinn doch nicht zu beſchaͤdigen, ſein ſeidenes
Halstuch abreißen und ihr die Haͤnde damit
auf den Ruͤcken binden mußte.

Dieß verzieh ſie ihm nie, ja ſie machte
ſo heimliche Anſtalten und Verſuche ihn zu
beſchaͤdigen, daß die Aeltern, die auf dieſe
ſeltſamen Leidenſchaften ſchon laͤngſt Acht ge¬
habt, ſich mit einander verſtaͤndigten und be¬
ſchloſſen, die beyden feindlichen Weſen zu
trennen und jene lieblichen Hoffnungen aufzu¬
geben.

Der Knabe that ſich in ſeinen neuen Ver¬
haͤltniſſen bald hervor. Jede Art von Unter¬
richt ſchlug bey ihm an. Goͤnner und eigene
Neigung beſtimmten ihn zum Soldatenſtande.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0202" n="199"/>
Wider&#x017F;acher &#x017F;ich nicht &#x017F;ehr brav gehalten und<lb/>
&#x017F;eine Gegnerinn doch noch zuletzt entwaffnet<lb/>
und gefangen genommen ha&#x0364;tte. Aber auch<lb/>
da noch wehrte &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;o gewalt&#x017F;am, daß er,<lb/>
um &#x017F;eine Augen zu erhalten, und die Fein¬<lb/>
dinn doch nicht zu be&#x017F;cha&#x0364;digen, &#x017F;ein &#x017F;eidenes<lb/>
Halstuch abreißen und ihr die Ha&#x0364;nde damit<lb/>
auf den Ru&#x0364;cken binden mußte.</p><lb/>
          <p>Dieß verzieh &#x017F;ie ihm nie, ja &#x017F;ie machte<lb/>
&#x017F;o heimliche An&#x017F;talten und Ver&#x017F;uche ihn zu<lb/>
be&#x017F;cha&#x0364;digen, daß die Aeltern, die auf die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;elt&#x017F;amen Leiden&#x017F;chaften &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t Acht ge¬<lb/>
habt, &#x017F;ich mit einander ver&#x017F;ta&#x0364;ndigten und be¬<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, die beyden feindlichen We&#x017F;en zu<lb/>
trennen und jene lieblichen Hoffnungen aufzu¬<lb/>
geben.</p><lb/>
          <p>Der Knabe that &#x017F;ich in &#x017F;einen neuen Ver¬<lb/>
ha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en bald hervor. Jede Art von Unter¬<lb/>
richt &#x017F;chlug bey ihm an. Go&#x0364;nner und eigene<lb/>
Neigung be&#x017F;timmten ihn zum Soldaten&#x017F;tande.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0202] Widerſacher ſich nicht ſehr brav gehalten und ſeine Gegnerinn doch noch zuletzt entwaffnet und gefangen genommen haͤtte. Aber auch da noch wehrte ſie ſich ſo gewaltſam, daß er, um ſeine Augen zu erhalten, und die Fein¬ dinn doch nicht zu beſchaͤdigen, ſein ſeidenes Halstuch abreißen und ihr die Haͤnde damit auf den Ruͤcken binden mußte. Dieß verzieh ſie ihm nie, ja ſie machte ſo heimliche Anſtalten und Verſuche ihn zu beſchaͤdigen, daß die Aeltern, die auf dieſe ſeltſamen Leidenſchaften ſchon laͤngſt Acht ge¬ habt, ſich mit einander verſtaͤndigten und be¬ ſchloſſen, die beyden feindlichen Weſen zu trennen und jene lieblichen Hoffnungen aufzu¬ geben. Der Knabe that ſich in ſeinen neuen Ver¬ haͤltniſſen bald hervor. Jede Art von Unter¬ richt ſchlug bey ihm an. Goͤnner und eigene Neigung beſtimmten ihn zum Soldatenſtande.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/202
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/202>, abgerufen am 22.11.2024.