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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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des Geliebten versicherten und ihr eigenes be¬
festigten und belebten. Wenn sie sich Abends
zur Ruhe gelegt, und im süßen Gefühl noch
zwischen Schlaf und Wachen schwebte, schien
es ihr, als wenn sie in einen ganz hellen
doch mild erleuchteten Raum hineinblickte.
In diesem sah sie Eduarden ganz deutlich
und zwar nicht gekleidet wie sie ihn sonst ge¬
sehen, sondern im kriegerischen Anzug, jedes¬
mal in einer andern Stellung, die aber voll¬
kommen natürlich war und nichts Phantasti¬
sches an sich hatte: stehend, gehend, liegend,
reitend. Die Gestalt bis aufs kleinste ausge¬
malt bewegte sich willig vor ihr, ohne daß
sie das mindeste dazu that, ohne daß sie
wollte oder die Einbildungskraft anstrengte.
Manchmal sah sie ihn auch umgeben, beson¬
ders von etwas Beweglichem, das dunkler
war als der helle Grund; aber sie unterschied
kaum Schattenbilder, die ihr zuweilen als
Menschen, als Pferde, als Bäume und Ge¬
birge vorkommen konnten. Gewöhnlich schlief

des Geliebten verſicherten und ihr eigenes be¬
feſtigten und belebten. Wenn ſie ſich Abends
zur Ruhe gelegt, und im ſuͤßen Gefuͤhl noch
zwiſchen Schlaf und Wachen ſchwebte, ſchien
es ihr, als wenn ſie in einen ganz hellen
doch mild erleuchteten Raum hineinblickte.
In dieſem ſah ſie Eduarden ganz deutlich
und zwar nicht gekleidet wie ſie ihn ſonſt ge¬
ſehen, ſondern im kriegeriſchen Anzug, jedes¬
mal in einer andern Stellung, die aber voll¬
kommen natuͤrlich war und nichts Phantaſti¬
ſches an ſich hatte: ſtehend, gehend, liegend,
reitend. Die Geſtalt bis aufs kleinſte ausge¬
malt bewegte ſich willig vor ihr, ohne daß
ſie das mindeſte dazu that, ohne daß ſie
wollte oder die Einbildungskraft anſtrengte.
Manchmal ſah ſie ihn auch umgeben, beſon¬
ders von etwas Beweglichem, das dunkler
war als der helle Grund; aber ſie unterſchied
kaum Schattenbilder, die ihr zuweilen als
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[166/0169] des Geliebten verſicherten und ihr eigenes be¬ feſtigten und belebten. Wenn ſie ſich Abends zur Ruhe gelegt, und im ſuͤßen Gefuͤhl noch zwiſchen Schlaf und Wachen ſchwebte, ſchien es ihr, als wenn ſie in einen ganz hellen doch mild erleuchteten Raum hineinblickte. In dieſem ſah ſie Eduarden ganz deutlich und zwar nicht gekleidet wie ſie ihn ſonſt ge¬ ſehen, ſondern im kriegeriſchen Anzug, jedes¬ mal in einer andern Stellung, die aber voll¬ kommen natuͤrlich war und nichts Phantaſti¬ ſches an ſich hatte: ſtehend, gehend, liegend, reitend. Die Geſtalt bis aufs kleinſte ausge¬ malt bewegte ſich willig vor ihr, ohne daß ſie das mindeſte dazu that, ohne daß ſie wollte oder die Einbildungskraft anſtrengte. Manchmal ſah ſie ihn auch umgeben, beſon¬ ders von etwas Beweglichem, das dunkler war als der helle Grund; aber ſie unterſchied kaum Schattenbilder, die ihr zuweilen als Menſchen, als Pferde, als Baͤume und Ge¬ birge vorkommen konnten. Gewoͤhnlich ſchlief

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/169>, abgerufen am 22.11.2024.