nach seinem Tode noch über seine Habe zu disponiren, sehr selten zu Gunsten seiner Lieb¬ linge gebraucht, und wie es scheint, aus Ach¬ tung für das Herkommen, nur diejenigen be¬ günstigt, die nach ihm sein Vermögen besitzen würden, wenn er auch selbst keinen Willen hätte.
Sein Gefühl setzte ihn auf der Reise Ot¬ tilien völlig gleich. Eine gute Aufnahme er¬ höhte seine Hoffnungen. Zwar fand er gegen sich Ottilien nicht ganz so offen wie sonst; aber sie war auch erwachsener, gebildeter und wenn man will, im Allgemeinen mittheilender als er sie gekannt hatte. Vertraulich ließ man ihn in manches Einsicht nehmen, was sich besonders auf sein Fach bezog. Doch wenn er seinem Zwecke sich nähern wollte; so hielt ihn immer eine gewisse innere Scheu zurück.
Einst gab ihm jedoch Charlotte hierzu Ge¬ legenheit indem sie, in Beyseyn Ottiliens, zu
nach ſeinem Tode noch uͤber ſeine Habe zu disponiren, ſehr ſelten zu Gunſten ſeiner Lieb¬ linge gebraucht, und wie es ſcheint, aus Ach¬ tung fuͤr das Herkommen, nur diejenigen be¬ guͤnſtigt, die nach ihm ſein Vermoͤgen beſitzen wuͤrden, wenn er auch ſelbſt keinen Willen haͤtte.
Sein Gefuͤhl ſetzte ihn auf der Reiſe Ot¬ tilien voͤllig gleich. Eine gute Aufnahme er¬ hoͤhte ſeine Hoffnungen. Zwar fand er gegen ſich Ottilien nicht ganz ſo offen wie ſonſt; aber ſie war auch erwachſener, gebildeter und wenn man will, im Allgemeinen mittheilender als er ſie gekannt hatte. Vertraulich ließ man ihn in manches Einſicht nehmen, was ſich beſonders auf ſein Fach bezog. Doch wenn er ſeinem Zwecke ſich naͤhern wollte; ſo hielt ihn immer eine gewiſſe innere Scheu zuruͤck.
Einſt gab ihm jedoch Charlotte hierzu Ge¬ legenheit indem ſie, in Beyſeyn Ottiliens, zu
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nach ſeinem Tode noch uͤber ſeine Habe zu
disponiren, ſehr ſelten zu Gunſten ſeiner Lieb¬
linge gebraucht, und wie es ſcheint, aus Ach¬
tung fuͤr das Herkommen, nur diejenigen be¬
guͤnſtigt, die nach ihm ſein Vermoͤgen beſitzen
wuͤrden, wenn er auch ſelbſt keinen Willen
haͤtte.
Sein Gefuͤhl ſetzte ihn auf der Reiſe Ot¬
tilien voͤllig gleich. Eine gute Aufnahme er¬
hoͤhte ſeine Hoffnungen. Zwar fand er gegen
ſich Ottilien nicht ganz ſo offen wie ſonſt;
aber ſie war auch erwachſener, gebildeter und
wenn man will, im Allgemeinen mittheilender
als er ſie gekannt hatte. Vertraulich ließ man
ihn in manches Einſicht nehmen, was ſich
beſonders auf ſein Fach bezog. Doch wenn
er ſeinem Zwecke ſich naͤhern wollte; ſo hielt
ihn immer eine gewiſſe innere Scheu zuruͤck.
Einſt gab ihm jedoch Charlotte hierzu Ge¬
legenheit indem ſie, in Beyſeyn Ottiliens, zu
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/147>, abgerufen am 24.11.2024.
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