Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

So werden Sie mich dagegen nicht ta¬
deln, versetzte Ottilie, daß ich meine Mäd¬
chen nicht überein kleide. Wenn ich sie Ih¬
nen vorführe, hoffe ich Sie durch ein bun¬
tes Gemisch zu ergetzen.

Ich billige das sehr, versetzte jener. Frauen
sollten durchaus mannigfaltig gekleidet gehen:
jede nach eigner Art und Weise, damit eine
Jede fühlen lernte, was ihr eigentlich gut
stehe und wohl zieme. Eine wichtigere Ur¬
sache ist noch die: weil sie bestimmt sind, ihr
ganzes Leben allein zu stehen und allein zu
handeln.

Das scheint mir sehr paradox, versetzte
Charlotte; sind wir doch fast niemals für
uns.

O ja! versetzte der Gehülfe, in Absicht
auf andre Frauen ganz gewiß. Man be¬
trachte ein Frauenzimmer als Liebende, als

So werden Sie mich dagegen nicht ta¬
deln, verſetzte Ottilie, daß ich meine Maͤd¬
chen nicht uͤberein kleide. Wenn ich ſie Ih¬
nen vorfuͤhre, hoffe ich Sie durch ein bun¬
tes Gemiſch zu ergetzen.

Ich billige das ſehr, verſetzte jener. Frauen
ſollten durchaus mannigfaltig gekleidet gehen:
jede nach eigner Art und Weiſe, damit eine
Jede fuͤhlen lernte, was ihr eigentlich gut
ſtehe und wohl zieme. Eine wichtigere Ur¬
ſache iſt noch die: weil ſie beſtimmt ſind, ihr
ganzes Leben allein zu ſtehen und allein zu
handeln.

Das ſcheint mir ſehr paradox, verſetzte
Charlotte; ſind wir doch faſt niemals fuͤr
uns.

O ja! verſetzte der Gehuͤlfe, in Abſicht
auf andre Frauen ganz gewiß. Man be¬
trachte ein Frauenzimmer als Liebende, als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0135" n="132"/>
        <p>So werden Sie mich dagegen nicht ta¬<lb/>
deln, ver&#x017F;etzte Ottilie, daß ich meine Ma&#x0364;<lb/>
chen nicht u&#x0364;berein kleide. Wenn ich &#x017F;ie Ih¬<lb/>
nen vorfu&#x0364;hre, hoffe ich Sie durch ein bun¬<lb/>
tes Gemi&#x017F;ch zu ergetzen.</p><lb/>
        <p>Ich billige das &#x017F;ehr, ver&#x017F;etzte jener. Frauen<lb/>
&#x017F;ollten durchaus mannigfaltig gekleidet gehen:<lb/>
jede nach eigner Art und Wei&#x017F;e, damit eine<lb/>
Jede fu&#x0364;hlen lernte, was ihr eigentlich gut<lb/>
&#x017F;tehe und wohl zieme. Eine wichtigere Ur¬<lb/>
&#x017F;ache i&#x017F;t noch die: weil &#x017F;ie be&#x017F;timmt &#x017F;ind, ihr<lb/>
ganzes Leben allein zu &#x017F;tehen und allein zu<lb/>
handeln.</p><lb/>
        <p>Das &#x017F;cheint mir &#x017F;ehr paradox, ver&#x017F;etzte<lb/>
Charlotte; &#x017F;ind wir doch fa&#x017F;t niemals fu&#x0364;r<lb/>
uns.</p><lb/>
        <p>O ja! ver&#x017F;etzte der Gehu&#x0364;lfe, in Ab&#x017F;icht<lb/>
auf andre Frauen ganz gewiß. Man be¬<lb/>
trachte ein Frauenzimmer als Liebende, als<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0135] So werden Sie mich dagegen nicht ta¬ deln, verſetzte Ottilie, daß ich meine Maͤd¬ chen nicht uͤberein kleide. Wenn ich ſie Ih¬ nen vorfuͤhre, hoffe ich Sie durch ein bun¬ tes Gemiſch zu ergetzen. Ich billige das ſehr, verſetzte jener. Frauen ſollten durchaus mannigfaltig gekleidet gehen: jede nach eigner Art und Weiſe, damit eine Jede fuͤhlen lernte, was ihr eigentlich gut ſtehe und wohl zieme. Eine wichtigere Ur¬ ſache iſt noch die: weil ſie beſtimmt ſind, ihr ganzes Leben allein zu ſtehen und allein zu handeln. Das ſcheint mir ſehr paradox, verſetzte Charlotte; ſind wir doch faſt niemals fuͤr uns. O ja! verſetzte der Gehuͤlfe, in Abſicht auf andre Frauen ganz gewiß. Man be¬ trachte ein Frauenzimmer als Liebende, als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/135
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/135>, abgerufen am 22.11.2024.