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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

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Es gab Gelegenheit über die Gegend,
über Anlagen zu sprechen, die man nach einer
solchen Uebersicht viel besser zu Stande bringe,
als wenn man nur einzeln, nach zufälligen Ein¬
drücken, an der Natur herumversuche.

Das müssen wir meiner Frau deutlich
machen, sagte Eduard.

Thue das nicht! versetzte der Hauptmann,
der die Ueberzeugungen anderer nicht gern mit
den seinigen durchkreuzte, den die Erfahrung
gelehrt hatte, daß die Ansichten der Menschen
viel zu mannigfaltig sind, als daß sie, selbst
durch die vernünftigsten Vorstellungen, auf
einen Punct versammelt werden könnten.
Thue es nicht! rief er: sie dürfte leicht irre
werden. Es ist ihr, wie allen denen, die sich
nur aus Liebhaberey mit solchen Dingen be¬
schäftigen, mehr daran gelegen, daß sie et¬
was thue, als daß etwas gethan werde. Man
tastet an der Natur, man hat Vorliebe für

Es gab Gelegenheit uͤber die Gegend,
uͤber Anlagen zu ſprechen, die man nach einer
ſolchen Ueberſicht viel beſſer zu Stande bringe,
als wenn man nur einzeln, nach zufaͤlligen Ein¬
druͤcken, an der Natur herumverſuche.

Das muͤſſen wir meiner Frau deutlich
machen, ſagte Eduard.

Thue das nicht! verſetzte der Hauptmann,
der die Ueberzeugungen anderer nicht gern mit
den ſeinigen durchkreuzte, den die Erfahrung
gelehrt hatte, daß die Anſichten der Menſchen
viel zu mannigfaltig ſind, als daß ſie, ſelbſt
durch die vernuͤnftigſten Vorſtellungen, auf
einen Punct verſammelt werden koͤnnten.
Thue es nicht! rief er: ſie duͤrfte leicht irre
werden. Es iſt ihr, wie allen denen, die ſich
nur aus Liebhaberey mit ſolchen Dingen be¬
ſchaͤftigen, mehr daran gelegen, daß ſie et¬
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[52/0057] Es gab Gelegenheit uͤber die Gegend, uͤber Anlagen zu ſprechen, die man nach einer ſolchen Ueberſicht viel beſſer zu Stande bringe, als wenn man nur einzeln, nach zufaͤlligen Ein¬ druͤcken, an der Natur herumverſuche. Das muͤſſen wir meiner Frau deutlich machen, ſagte Eduard. Thue das nicht! verſetzte der Hauptmann, der die Ueberzeugungen anderer nicht gern mit den ſeinigen durchkreuzte, den die Erfahrung gelehrt hatte, daß die Anſichten der Menſchen viel zu mannigfaltig ſind, als daß ſie, ſelbſt durch die vernuͤnftigſten Vorſtellungen, auf einen Punct verſammelt werden koͤnnten. Thue es nicht! rief er: ſie duͤrfte leicht irre werden. Es iſt ihr, wie allen denen, die ſich nur aus Liebhaberey mit ſolchen Dingen be¬ ſchaͤftigen, mehr daran gelegen, daß ſie et¬ was thue, als daß etwas gethan werde. Man taſtet an der Natur, man hat Vorliebe fuͤr

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/57>, abgerufen am 23.11.2024.