Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

heit welche durch die neuen Wege erst sichtbar
und genießbar geworden. Er hatte ein geüb¬
tes Auge und dabey ein genügsames; und ob
er gleich das wünschenswerthe sehr wohl kannte,
machte er doch nicht, wie es öfters zu gesche¬
hen pflegt, Personen die ihn in dem Ihrigen
herumführten, dadurch einen üblen Humor,
daß er mehr verlangte als die Umstände zu¬
ließen, oder auch wohl gar an etwas Voll¬
kommneres erinnerte das er anderswo gesehen.

Als sie die Mooshütte erreichten, fanden
sie solche auf das lustigste ausgeschmückt, zwar
nur mit künstlichen Blumen und Wintergrün,
doch darunter so schöne Büschel natürlichen
Weizens und anderer Feld- und Baumfrüchte
angebracht, daß sie dem Kunstsinn der An¬
ordnenden zur Ehre gereichten. Obschon mein
Mann nicht liebt, daß man seinen Geburts¬
oder Namenstag feyre, so wird er mir doch
heute nicht verargen, einem dreyfachen Feste
diese wenigen Kränze zu widmen.

heit welche durch die neuen Wege erſt ſichtbar
und genießbar geworden. Er hatte ein geuͤb¬
tes Auge und dabey ein genuͤgſames; und ob
er gleich das wuͤnſchenswerthe ſehr wohl kannte,
machte er doch nicht, wie es oͤfters zu geſche¬
hen pflegt, Perſonen die ihn in dem Ihrigen
herumfuͤhrten, dadurch einen uͤblen Humor,
daß er mehr verlangte als die Umſtaͤnde zu¬
ließen, oder auch wohl gar an etwas Voll¬
kommneres erinnerte das er anderswo geſehen.

Als ſie die Mooshuͤtte erreichten, fanden
ſie ſolche auf das luſtigſte ausgeſchmuͤckt, zwar
nur mit kuͤnſtlichen Blumen und Wintergruͤn,
doch darunter ſo ſchoͤne Buͤſchel natuͤrlichen
Weizens und anderer Feld- und Baumfruͤchte
angebracht, daß ſie dem Kunſtſinn der An¬
ordnenden zur Ehre gereichten. Obſchon mein
Mann nicht liebt, daß man ſeinen Geburts¬
oder Namenstag feyre, ſo wird er mir doch
heute nicht verargen, einem dreyfachen Feſte
dieſe wenigen Kraͤnze zu widmen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0050" n="45"/>
heit welche durch die neuen Wege er&#x017F;t &#x017F;ichtbar<lb/>
und genießbar geworden. Er hatte ein geu&#x0364;<lb/>
tes Auge und dabey ein genu&#x0364;g&#x017F;ames; und ob<lb/>
er gleich das wu&#x0364;n&#x017F;chenswerthe &#x017F;ehr wohl kannte,<lb/>
machte er doch nicht, wie es o&#x0364;fters zu ge&#x017F;che¬<lb/>
hen pflegt, Per&#x017F;onen die ihn in dem Ihrigen<lb/>
herumfu&#x0364;hrten, dadurch einen u&#x0364;blen Humor,<lb/>
daß er mehr verlangte als die Um&#x017F;ta&#x0364;nde zu¬<lb/>
ließen, oder auch wohl gar an etwas Voll¬<lb/>
kommneres erinnerte das er anderswo ge&#x017F;ehen.</p><lb/>
        <p>Als &#x017F;ie die Mooshu&#x0364;tte erreichten, fanden<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;olche auf das lu&#x017F;tig&#x017F;te ausge&#x017F;chmu&#x0364;ckt, zwar<lb/>
nur mit ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Blumen und Wintergru&#x0364;n,<lb/>
doch darunter &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;ne Bu&#x0364;&#x017F;chel natu&#x0364;rlichen<lb/>
Weizens und anderer Feld- und Baumfru&#x0364;chte<lb/>
angebracht, daß &#x017F;ie dem Kun&#x017F;t&#x017F;inn der An¬<lb/>
ordnenden zur Ehre gereichten. Ob&#x017F;chon mein<lb/>
Mann nicht liebt, daß man &#x017F;einen Geburts¬<lb/>
oder Namenstag feyre, &#x017F;o wird er mir doch<lb/>
heute nicht verargen, einem dreyfachen Fe&#x017F;te<lb/>
die&#x017F;e wenigen Kra&#x0364;nze zu widmen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0050] heit welche durch die neuen Wege erſt ſichtbar und genießbar geworden. Er hatte ein geuͤb¬ tes Auge und dabey ein genuͤgſames; und ob er gleich das wuͤnſchenswerthe ſehr wohl kannte, machte er doch nicht, wie es oͤfters zu geſche¬ hen pflegt, Perſonen die ihn in dem Ihrigen herumfuͤhrten, dadurch einen uͤblen Humor, daß er mehr verlangte als die Umſtaͤnde zu¬ ließen, oder auch wohl gar an etwas Voll¬ kommneres erinnerte das er anderswo geſehen. Als ſie die Mooshuͤtte erreichten, fanden ſie ſolche auf das luſtigſte ausgeſchmuͤckt, zwar nur mit kuͤnſtlichen Blumen und Wintergruͤn, doch darunter ſo ſchoͤne Buͤſchel natuͤrlichen Weizens und anderer Feld- und Baumfruͤchte angebracht, daß ſie dem Kunſtſinn der An¬ ordnenden zur Ehre gereichten. Obſchon mein Mann nicht liebt, daß man ſeinen Geburts¬ oder Namenstag feyre, ſo wird er mir doch heute nicht verargen, einem dreyfachen Feſte dieſe wenigen Kraͤnze zu widmen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/50
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/50>, abgerufen am 21.11.2024.