Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

hin, lieber Mann, beruhigen Sie uns alle,
machen Sie uns glücklich!

Mittler stockte. Eduard fuhr fort: Mein
Schicksal und Ottiliens ist nicht zu trennen
und wir werden nicht zu Grunde gehen.
Sehen Sie dieses Glas! Unsere Namenszüge
sind darein geschnitten. Ein fröhlich Jubeln¬
der warf es in die Luft; Niemand sollte mehr
daraus trinken; auf dem felsigen Boden sollte
es zerschellen, aber es ward aufgefangen.
Um hohen Preis habe ich es wieder eingehan¬
delt und ich trinke nun täglich daraus, um
mich täglich zu überzeugen: daß alle Verhält¬
nisse unzerstörlich sind, die das Schicksal be¬
schlossen hat.

O wehe mir, rief Mittler, was muß ich
nicht mit meinen Freunden für Geduld ha¬
ben! Nun begegnet mir noch gar der Aber¬
glaube, der mir als das schädlichste was bey
den Menschen einkehren kann, verhaßt bleibt.

hin, lieber Mann, beruhigen Sie uns alle,
machen Sie uns gluͤcklich!

Mittler ſtockte. Eduard fuhr fort: Mein
Schickſal und Ottiliens iſt nicht zu trennen
und wir werden nicht zu Grunde gehen.
Sehen Sie dieſes Glas! Unſere Namenszuͤge
ſind darein geſchnitten. Ein froͤhlich Jubeln¬
der warf es in die Luft; Niemand ſollte mehr
daraus trinken; auf dem felſigen Boden ſollte
es zerſchellen, aber es ward aufgefangen.
Um hohen Preis habe ich es wieder eingehan¬
delt und ich trinke nun taͤglich daraus, um
mich taͤglich zu uͤberzeugen: daß alle Verhaͤlt¬
niſſe unzerſtoͤrlich ſind, die das Schickſal be¬
ſchloſſen hat.

O wehe mir, rief Mittler, was muß ich
nicht mit meinen Freunden fuͤr Geduld ha¬
ben! Nun begegnet mir noch gar der Aber¬
glaube, der mir als das ſchaͤdlichſte was bey
den Menſchen einkehren kann, verhaßt bleibt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0304" n="299"/>
hin, lieber Mann, beruhigen Sie uns alle,<lb/>
machen Sie uns glu&#x0364;cklich!</p><lb/>
        <p>Mittler &#x017F;tockte. Eduard fuhr fort: Mein<lb/>
Schick&#x017F;al und Ottiliens i&#x017F;t nicht zu trennen<lb/>
und wir werden nicht zu Grunde gehen.<lb/>
Sehen Sie die&#x017F;es Glas! Un&#x017F;ere Namenszu&#x0364;ge<lb/>
&#x017F;ind darein ge&#x017F;chnitten. Ein fro&#x0364;hlich Jubeln¬<lb/>
der warf es in die Luft; Niemand &#x017F;ollte mehr<lb/>
daraus trinken; auf dem fel&#x017F;igen Boden &#x017F;ollte<lb/>
es zer&#x017F;chellen, aber es ward aufgefangen.<lb/>
Um hohen Preis habe ich es wieder eingehan¬<lb/>
delt und ich trinke nun ta&#x0364;glich daraus, um<lb/>
mich ta&#x0364;glich zu u&#x0364;berzeugen: daß alle Verha&#x0364;lt¬<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e unzer&#x017F;to&#x0364;rlich &#x017F;ind, die das Schick&#x017F;al be¬<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hat.</p><lb/>
        <p>O wehe mir, rief Mittler, was muß ich<lb/>
nicht mit meinen Freunden fu&#x0364;r Geduld ha¬<lb/>
ben! Nun begegnet mir noch gar der Aber¬<lb/>
glaube, der mir als das &#x017F;cha&#x0364;dlich&#x017F;te was bey<lb/>
den Men&#x017F;chen einkehren kann, verhaßt bleibt.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[299/0304] hin, lieber Mann, beruhigen Sie uns alle, machen Sie uns gluͤcklich! Mittler ſtockte. Eduard fuhr fort: Mein Schickſal und Ottiliens iſt nicht zu trennen und wir werden nicht zu Grunde gehen. Sehen Sie dieſes Glas! Unſere Namenszuͤge ſind darein geſchnitten. Ein froͤhlich Jubeln¬ der warf es in die Luft; Niemand ſollte mehr daraus trinken; auf dem felſigen Boden ſollte es zerſchellen, aber es ward aufgefangen. Um hohen Preis habe ich es wieder eingehan¬ delt und ich trinke nun taͤglich daraus, um mich taͤglich zu uͤberzeugen: daß alle Verhaͤlt¬ niſſe unzerſtoͤrlich ſind, die das Schickſal be¬ ſchloſſen hat. O wehe mir, rief Mittler, was muß ich nicht mit meinen Freunden fuͤr Geduld ha¬ ben! Nun begegnet mir noch gar der Aber¬ glaube, der mir als das ſchaͤdlichſte was bey den Menſchen einkehren kann, verhaßt bleibt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/304
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/304>, abgerufen am 24.11.2024.