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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

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ohne stille Betrübniß merken, daß er glaube
sie vertraue ihm nicht, und peinlich war ihr
das Gefühl der Unwissenheit, das ihr auf
diese Weise recht aufgedrungen ward. Doch
konnte sie sich von diesen Rabatten und Bee¬
ten nicht trennen. Was sie zusammen zum
Theil gesät, alles gepflanzt hatten, stand nun
im völligen Flor; kaum bedurfte es noch ei¬
ner Pflege, außer daß Nanny immer zum
Gießen bereit war. Mit welchen Empfindun¬
gen betrachtete Ottilie die späteren Blumen,
die sich erst anzeigten, deren Glanz und Fülle
dereinst an Eduards Geburtstag, dessen Feyer
sie sich manchmal versprach, prangen, ihre
Neigung und Dankbarkeit ausdrücken sollten.
Doch war die Hoffnung dieses Fest zu sehen
nicht immer gleich lebendig. Zweifel und
Sorgen umflüsterten stets die Seele des guten
Mädchens.

Zu einer eigentlichen offnen Uebereinstim¬
mung mit Charlotten konnte es auch wohl
nicht wieder gebracht werden. Denn freylich

ohne ſtille Betruͤbniß merken, daß er glaube
ſie vertraue ihm nicht, und peinlich war ihr
das Gefuͤhl der Unwiſſenheit, das ihr auf
dieſe Weiſe recht aufgedrungen ward. Doch
konnte ſie ſich von dieſen Rabatten und Bee¬
ten nicht trennen. Was ſie zuſammen zum
Theil geſaͤt, alles gepflanzt hatten, ſtand nun
im voͤlligen Flor; kaum bedurfte es noch ei¬
ner Pflege, außer daß Nanny immer zum
Gießen bereit war. Mit welchen Empfindun¬
gen betrachtete Ottilie die ſpaͤteren Blumen,
die ſich erſt anzeigten, deren Glanz und Fuͤlle
dereinſt an Eduards Geburtstag, deſſen Feyer
ſie ſich manchmal verſprach, prangen, ihre
Neigung und Dankbarkeit ausdruͤcken ſollten.
Doch war die Hoffnung dieſes Feſt zu ſehen
nicht immer gleich lebendig. Zweifel und
Sorgen umfluͤſterten ſtets die Seele des guten
Maͤdchens.

Zu einer eigentlichen offnen Uebereinſtim¬
mung mit Charlotten konnte es auch wohl
nicht wieder gebracht werden. Denn freylich

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[284/0289] ohne ſtille Betruͤbniß merken, daß er glaube ſie vertraue ihm nicht, und peinlich war ihr das Gefuͤhl der Unwiſſenheit, das ihr auf dieſe Weiſe recht aufgedrungen ward. Doch konnte ſie ſich von dieſen Rabatten und Bee¬ ten nicht trennen. Was ſie zuſammen zum Theil geſaͤt, alles gepflanzt hatten, ſtand nun im voͤlligen Flor; kaum bedurfte es noch ei¬ ner Pflege, außer daß Nanny immer zum Gießen bereit war. Mit welchen Empfindun¬ gen betrachtete Ottilie die ſpaͤteren Blumen, die ſich erſt anzeigten, deren Glanz und Fuͤlle dereinſt an Eduards Geburtstag, deſſen Feyer ſie ſich manchmal verſprach, prangen, ihre Neigung und Dankbarkeit ausdruͤcken ſollten. Doch war die Hoffnung dieſes Feſt zu ſehen nicht immer gleich lebendig. Zweifel und Sorgen umfluͤſterten ſtets die Seele des guten Maͤdchens. Zu einer eigentlichen offnen Uebereinſtim¬ mung mit Charlotten konnte es auch wohl nicht wieder gebracht werden. Denn freylich

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/289>, abgerufen am 24.11.2024.