Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Um Gotteswillen! rief er aus, was ist das?
Das ist meine Hand! Er sah Ottilien an
und wieder auf die Blätter; besonders der
Schluß war ganz als wenn er ihn selbst ge¬
schrieben hätte. Ottilie schwieg, aber sie blickte
ihm mit der größten Zufriedenheit in die Au¬
gen. Eduard hob seine Arme empor: Du
liebst mich! rief er aus: Ottilie du liebst
mich! und sie hielten einander umfaßt. Wer
das andere zuerst ergriffen, wäre nicht zu un¬
terscheiden gewesen.

Von diesem Augenblick an war die Welt
für Eduarden umgewendet, er nicht mehr was
er gewesen, die Welt nicht mehr was sie ge¬
wesen. Sie standen vor einander, er hielt
ihre Hände, sie sahen einander in die Augen,
im Begriff sich wieder zu umarmen.

Charlotte mit dem Hauptmann trat her¬
ein. Zu den Entschuldigungen eines längeren
Außenbleibens lächelte Eduard heimlich. O

Um Gotteswillen! rief er aus, was iſt das?
Das iſt meine Hand! Er ſah Ottilien an
und wieder auf die Blaͤtter; beſonders der
Schluß war ganz als wenn er ihn ſelbſt ge¬
ſchrieben haͤtte. Ottilie ſchwieg, aber ſie blickte
ihm mit der groͤßten Zufriedenheit in die Au¬
gen. Eduard hob ſeine Arme empor: Du
liebſt mich! rief er aus: Ottilie du liebſt
mich! und ſie hielten einander umfaßt. Wer
das andere zuerſt ergriffen, waͤre nicht zu un¬
terſcheiden geweſen.

Von dieſem Augenblick an war die Welt
fuͤr Eduarden umgewendet, er nicht mehr was
er geweſen, die Welt nicht mehr was ſie ge¬
weſen. Sie ſtanden vor einander, er hielt
ihre Haͤnde, ſie ſahen einander in die Augen,
im Begriff ſich wieder zu umarmen.

Charlotte mit dem Hauptmann trat her¬
ein. Zu den Entſchuldigungen eines laͤngeren
Außenbleibens laͤchelte Eduard heimlich. O

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0219" n="214"/>
Um Gotteswillen! rief er aus, was i&#x017F;t das?<lb/>
Das i&#x017F;t meine Hand! Er &#x017F;ah Ottilien an<lb/>
und wieder auf die Bla&#x0364;tter; be&#x017F;onders der<lb/>
Schluß war ganz als wenn er ihn &#x017F;elb&#x017F;t ge¬<lb/>
&#x017F;chrieben ha&#x0364;tte. Ottilie &#x017F;chwieg, aber &#x017F;ie blickte<lb/>
ihm mit der gro&#x0364;ßten Zufriedenheit in die Au¬<lb/>
gen. Eduard hob &#x017F;eine Arme empor: Du<lb/>
lieb&#x017F;t mich! rief er aus: Ottilie du lieb&#x017F;t<lb/>
mich! und &#x017F;ie hielten einander umfaßt. Wer<lb/>
das andere zuer&#x017F;t ergriffen, wa&#x0364;re nicht zu un¬<lb/>
ter&#x017F;cheiden gewe&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Von die&#x017F;em Augenblick an war die Welt<lb/>
fu&#x0364;r Eduarden umgewendet, er nicht mehr was<lb/>
er gewe&#x017F;en, die Welt nicht mehr was &#x017F;ie ge¬<lb/>
we&#x017F;en. Sie &#x017F;tanden vor einander, er hielt<lb/>
ihre Ha&#x0364;nde, &#x017F;ie &#x017F;ahen einander in die Augen,<lb/>
im Begriff &#x017F;ich wieder zu umarmen.</p><lb/>
        <p>Charlotte mit dem Hauptmann trat her¬<lb/>
ein. Zu den Ent&#x017F;chuldigungen eines la&#x0364;ngeren<lb/>
Außenbleibens la&#x0364;chelte Eduard heimlich. O<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0219] Um Gotteswillen! rief er aus, was iſt das? Das iſt meine Hand! Er ſah Ottilien an und wieder auf die Blaͤtter; beſonders der Schluß war ganz als wenn er ihn ſelbſt ge¬ ſchrieben haͤtte. Ottilie ſchwieg, aber ſie blickte ihm mit der groͤßten Zufriedenheit in die Au¬ gen. Eduard hob ſeine Arme empor: Du liebſt mich! rief er aus: Ottilie du liebſt mich! und ſie hielten einander umfaßt. Wer das andere zuerſt ergriffen, waͤre nicht zu un¬ terſcheiden geweſen. Von dieſem Augenblick an war die Welt fuͤr Eduarden umgewendet, er nicht mehr was er geweſen, die Welt nicht mehr was ſie ge¬ weſen. Sie ſtanden vor einander, er hielt ihre Haͤnde, ſie ſahen einander in die Augen, im Begriff ſich wieder zu umarmen. Charlotte mit dem Hauptmann trat her¬ ein. Zu den Entſchuldigungen eines laͤngeren Außenbleibens laͤchelte Eduard heimlich. O

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/219
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/219>, abgerufen am 27.11.2024.