Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

ehlichen Verbindungen gern so recht dauerhaft
vorstellen, und was den letzten Punct betrifft,
so verführen uns die Lustspiele, die wir im¬
mer wiederhohlen sehen, zu solchen Einbildun¬
gen, die mit dem Gange der Welt nicht zu¬
sammentreffen. In der Comödie sehen wir
eine Heirat als das letzte Ziel eines durch
die Hindernisse mehrerer Acte verschobenen
Wunsches, und im Augenblick, da es erreicht
ist, fällt der Vorhang und die momentane
Befriedigung klingt bey uns nach. In der
Welt ist es anders; da wird hinten immer
fort gespielt, und wenn der Vorhang wieder
aufgeht, mag man gern nichts weiter davon
sehen noch hören.

Es muß doch so schlimm nicht seyn, sagte
Charlotte lächelnd, da man sieht, daß auch
Personen die von diesem Theater abgetreten
sind, wohl gern darauf wieder eine Rolle
spielen mögen.

ehlichen Verbindungen gern ſo recht dauerhaft
vorſtellen, und was den letzten Punct betrifft,
ſo verfuͤhren uns die Luſtſpiele, die wir im¬
mer wiederhohlen ſehen, zu ſolchen Einbildun¬
gen, die mit dem Gange der Welt nicht zu¬
ſammentreffen. In der Comoͤdie ſehen wir
eine Heirat als das letzte Ziel eines durch
die Hinderniſſe mehrerer Acte verſchobenen
Wunſches, und im Augenblick, da es erreicht
iſt, faͤllt der Vorhang und die momentane
Befriedigung klingt bey uns nach. In der
Welt iſt es anders; da wird hinten immer
fort geſpielt, und wenn der Vorhang wieder
aufgeht, mag man gern nichts weiter davon
ſehen noch hoͤren.

Es muß doch ſo ſchlimm nicht ſeyn, ſagte
Charlotte laͤchelnd, da man ſieht, daß auch
Perſonen die von dieſem Theater abgetreten
ſind, wohl gern darauf wieder eine Rolle
ſpielen moͤgen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0181" n="176"/>
ehlichen Verbindungen gern &#x017F;o recht dauerhaft<lb/>
vor&#x017F;tellen, und was den letzten Punct betrifft,<lb/>
&#x017F;o verfu&#x0364;hren uns die Lu&#x017F;t&#x017F;piele, die wir im¬<lb/>
mer wiederhohlen &#x017F;ehen, zu &#x017F;olchen Einbildun¬<lb/>
gen, die mit dem Gange der Welt nicht zu¬<lb/>
&#x017F;ammentreffen. In der Como&#x0364;die &#x017F;ehen wir<lb/>
eine Heirat als das letzte Ziel eines durch<lb/>
die Hinderni&#x017F;&#x017F;e mehrerer Acte ver&#x017F;chobenen<lb/>
Wun&#x017F;ches, und im Augenblick, da es erreicht<lb/>
i&#x017F;t, fa&#x0364;llt der Vorhang und die momentane<lb/>
Befriedigung klingt bey uns nach. In der<lb/>
Welt i&#x017F;t es anders; da wird hinten immer<lb/>
fort ge&#x017F;pielt, und wenn der Vorhang wieder<lb/>
aufgeht, mag man gern nichts weiter davon<lb/>
&#x017F;ehen noch ho&#x0364;ren.</p><lb/>
        <p>Es muß doch &#x017F;o &#x017F;chlimm nicht &#x017F;eyn, &#x017F;agte<lb/>
Charlotte la&#x0364;chelnd, da man &#x017F;ieht, daß auch<lb/>
Per&#x017F;onen die von die&#x017F;em Theater abgetreten<lb/>
&#x017F;ind, wohl gern darauf wieder eine Rolle<lb/>
&#x017F;pielen mo&#x0364;gen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0181] ehlichen Verbindungen gern ſo recht dauerhaft vorſtellen, und was den letzten Punct betrifft, ſo verfuͤhren uns die Luſtſpiele, die wir im¬ mer wiederhohlen ſehen, zu ſolchen Einbildun¬ gen, die mit dem Gange der Welt nicht zu¬ ſammentreffen. In der Comoͤdie ſehen wir eine Heirat als das letzte Ziel eines durch die Hinderniſſe mehrerer Acte verſchobenen Wunſches, und im Augenblick, da es erreicht iſt, faͤllt der Vorhang und die momentane Befriedigung klingt bey uns nach. In der Welt iſt es anders; da wird hinten immer fort geſpielt, und wenn der Vorhang wieder aufgeht, mag man gern nichts weiter davon ſehen noch hoͤren. Es muß doch ſo ſchlimm nicht ſeyn, ſagte Charlotte laͤchelnd, da man ſieht, daß auch Perſonen die von dieſem Theater abgetreten ſind, wohl gern darauf wieder eine Rolle ſpielen moͤgen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/181
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/181>, abgerufen am 23.11.2024.