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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

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Freunde kann ich mir beydes versprechen; und
dann entspringen noch hundert andre Verhält¬
nisse daraus, die ich mir alle gern vorstellen
mag, die auch auf dich Bezug haben und wo¬
von ich viel Gutes voraussehe. Nun danke
ich dir, daß du mich freundlich angehört hast;
itzt sprich aber auch recht frey und umständlich
und sage mir alles was du zu sagen hast, ich
will dich nicht unterbrechen.

Recht gut, versetzte Charlotte: so will ich
gleich mit einer allgemeinen Bemerkung anfan¬
gen. Die Männer denken mehr auf das
Einzelne, auf das Gegenwärtige, und das
mit Recht, weil sie zu thun, zu wirken beru¬
fen sind; die Weiber hingegen mehr auf das
was im Leben zusammenhängt, und das mit
gleichem Rechte, weil ihr Schicksal, das
Schicksal ihrer Familien, an diesen Zusammen¬
hang geknüpft ist, und auch gerade dieses Zu¬
sammenhängende von ihnen gefordert wird.
Laß uns deswegen einen Blick auf unser ge¬

Freunde kann ich mir beydes verſprechen; und
dann entſpringen noch hundert andre Verhaͤlt¬
niſſe daraus, die ich mir alle gern vorſtellen
mag, die auch auf dich Bezug haben und wo¬
von ich viel Gutes vorausſehe. Nun danke
ich dir, daß du mich freundlich angehoͤrt haſt;
itzt ſprich aber auch recht frey und umſtaͤndlich
und ſage mir alles was du zu ſagen haſt, ich
will dich nicht unterbrechen.

Recht gut, verſetzte Charlotte: ſo will ich
gleich mit einer allgemeinen Bemerkung anfan¬
gen. Die Maͤnner denken mehr auf das
Einzelne, auf das Gegenwaͤrtige, und das
mit Recht, weil ſie zu thun, zu wirken beru¬
fen ſind; die Weiber hingegen mehr auf das
was im Leben zuſammenhaͤngt, und das mit
gleichem Rechte, weil ihr Schickſal, das
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[12/0017] Freunde kann ich mir beydes verſprechen; und dann entſpringen noch hundert andre Verhaͤlt¬ niſſe daraus, die ich mir alle gern vorſtellen mag, die auch auf dich Bezug haben und wo¬ von ich viel Gutes vorausſehe. Nun danke ich dir, daß du mich freundlich angehoͤrt haſt; itzt ſprich aber auch recht frey und umſtaͤndlich und ſage mir alles was du zu ſagen haſt, ich will dich nicht unterbrechen. Recht gut, verſetzte Charlotte: ſo will ich gleich mit einer allgemeinen Bemerkung anfan¬ gen. Die Maͤnner denken mehr auf das Einzelne, auf das Gegenwaͤrtige, und das mit Recht, weil ſie zu thun, zu wirken beru¬ fen ſind; die Weiber hingegen mehr auf das was im Leben zuſammenhaͤngt, und das mit gleichem Rechte, weil ihr Schickſal, das Schickſal ihrer Familien, an dieſen Zuſammen¬ hang geknuͤpft iſt, und auch gerade dieſes Zu¬ ſammenhaͤngende von ihnen gefordert wird. Laß uns deswegen einen Blick auf unſer ge¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/17>, abgerufen am 24.11.2024.