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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

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ohne es aus der Hand zu lassen, und man
sah darauf die Buchstaben E und O in sehr
zierlicher Verschlingung eingeschnitten: es war
eins der Gläser, die für Eduarden in seiner
Jugend verfertigt worden.

Die Gerüste standen wieder leer, und die
leichtesten unter den Gästen stiegen hinauf,
sich umzusehen, und konnten die schöne Aus¬
sicht nach allen Seiten nicht genugsam rüh¬
men: denn was entdeckt der nicht alles, der
auf einem hohen Puncte nur um ein Geschoß
höher steht. Nach dem Innern des Landes
zu kamen mehrere neue Dörfer zum Vorschein;
den silbernen Streifen des Flusses erblickte
man deutlich; ja selbst die Thürme der Haupt¬
stadt wollte Einer gewahr werden. An der
Rückseite, hinter den waldigen Hügeln, erho¬
ben sich die blauen Gipfel eines fernen Ge¬
birges, und die nächste Gegend übersah man
im Ganzen. Nun sollten nur noch, rief einer,
die drey Teiche zu einem See vereinigt wer¬

I. II

ohne es aus der Hand zu laſſen, und man
ſah darauf die Buchſtaben E und O in ſehr
zierlicher Verſchlingung eingeſchnitten: es war
eins der Glaͤſer, die fuͤr Eduarden in ſeiner
Jugend verfertigt worden.

Die Geruͤſte ſtanden wieder leer, und die
leichteſten unter den Gaͤſten ſtiegen hinauf,
ſich umzuſehen, und konnten die ſchoͤne Aus¬
ſicht nach allen Seiten nicht genugſam ruͤh¬
men: denn was entdeckt der nicht alles, der
auf einem hohen Puncte nur um ein Geſchoß
hoͤher ſteht. Nach dem Innern des Landes
zu kamen mehrere neue Doͤrfer zum Vorſchein;
den ſilbernen Streifen des Fluſſes erblickte
man deutlich; ja ſelbſt die Thuͤrme der Haupt¬
ſtadt wollte Einer gewahr werden. An der
Ruͤckſeite, hinter den waldigen Huͤgeln, erho¬
ben ſich die blauen Gipfel eines fernen Ge¬
birges, und die naͤchſte Gegend uͤberſah man
im Ganzen. Nun ſollten nur noch, rief einer,
die drey Teiche zu einem See vereinigt wer¬

I. II
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[161/0166] ohne es aus der Hand zu laſſen, und man ſah darauf die Buchſtaben E und O in ſehr zierlicher Verſchlingung eingeſchnitten: es war eins der Glaͤſer, die fuͤr Eduarden in ſeiner Jugend verfertigt worden. Die Geruͤſte ſtanden wieder leer, und die leichteſten unter den Gaͤſten ſtiegen hinauf, ſich umzuſehen, und konnten die ſchoͤne Aus¬ ſicht nach allen Seiten nicht genugſam ruͤh¬ men: denn was entdeckt der nicht alles, der auf einem hohen Puncte nur um ein Geſchoß hoͤher ſteht. Nach dem Innern des Landes zu kamen mehrere neue Doͤrfer zum Vorſchein; den ſilbernen Streifen des Fluſſes erblickte man deutlich; ja ſelbſt die Thuͤrme der Haupt¬ ſtadt wollte Einer gewahr werden. An der Ruͤckſeite, hinter den waldigen Huͤgeln, erho¬ ben ſich die blauen Gipfel eines fernen Ge¬ birges, und die naͤchſte Gegend uͤberſah man im Ganzen. Nun ſollten nur noch, rief einer, die drey Teiche zu einem See vereinigt wer¬ I. II

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/166>, abgerufen am 23.11.2024.