mehr gen Himmel als auf Eduard gewendet, löste sie die Kette, zog das Bild hervor, drückte es gegen ihre Stirn und reichte es dem Freunde hin, mit den Worten: heben Sie mir es auf, bis wir nach Hause kom¬ men. Ich vermag Ihnen nicht besser zu be¬ zeigen, wie sehr ich Ihre freundliche Sorg¬ falt zu schätzen weiß.
Der Freund wagte nicht das Bild an seine Lippen zu drücken, aber er faßte ihre Hand und drückte sie an seine Augen. Es waren vielleicht die zwey schönsten Hände, die sich jemals zusammenschlossen. Ihm war, als wenn ihm ein Stein vom Herzen gefal¬ len wäre, als wenn sich eine Scheidewand zwischen ihm und Ottilien niedergelegt hätte.
Vom Müller geführt langten Charlotte und der Hauptmann auf einem bequemeren Pfade herunter. Man begrüßte sich, man erfreute und erquickte sich. Zurück wollte man
mehr gen Himmel als auf Eduard gewendet, loͤſte ſie die Kette, zog das Bild hervor, druͤckte es gegen ihre Stirn und reichte es dem Freunde hin, mit den Worten: heben Sie mir es auf, bis wir nach Hauſe kom¬ men. Ich vermag Ihnen nicht beſſer zu be¬ zeigen, wie ſehr ich Ihre freundliche Sorg¬ falt zu ſchaͤtzen weiß.
Der Freund wagte nicht das Bild an ſeine Lippen zu druͤcken, aber er faßte ihre Hand und druͤckte ſie an ſeine Augen. Es waren vielleicht die zwey ſchoͤnſten Haͤnde, die ſich jemals zuſammenſchloſſen. Ihm war, als wenn ihm ein Stein vom Herzen gefal¬ len waͤre, als wenn ſich eine Scheidewand zwiſchen ihm und Ottilien niedergelegt haͤtte.
Vom Muͤller gefuͤhrt langten Charlotte und der Hauptmann auf einem bequemeren Pfade herunter. Man begruͤßte ſich, man erfreute und erquickte ſich. Zuruͤck wollte man
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0138"n="133"/>
mehr gen Himmel als auf Eduard gewendet,<lb/>
loͤſte ſie die Kette, zog das Bild hervor,<lb/>
druͤckte es gegen ihre Stirn und reichte es<lb/>
dem Freunde hin, mit den Worten: heben<lb/>
Sie mir es auf, bis wir nach Hauſe kom¬<lb/>
men. Ich vermag Ihnen nicht beſſer zu be¬<lb/>
zeigen, wie ſehr ich Ihre freundliche Sorg¬<lb/>
falt zu ſchaͤtzen weiß.</p><lb/><p>Der Freund wagte nicht das Bild an<lb/>ſeine Lippen zu druͤcken, aber er faßte ihre<lb/>
Hand und druͤckte ſie an ſeine Augen. Es<lb/>
waren vielleicht die zwey ſchoͤnſten Haͤnde, die<lb/>ſich jemals zuſammenſchloſſen. Ihm war,<lb/>
als wenn ihm ein Stein vom Herzen gefal¬<lb/>
len waͤre, als wenn ſich eine Scheidewand<lb/>
zwiſchen ihm und Ottilien niedergelegt haͤtte.</p><lb/><p>Vom Muͤller gefuͤhrt langten Charlotte<lb/>
und der Hauptmann auf einem bequemeren<lb/>
Pfade herunter. Man begruͤßte ſich, man<lb/>
erfreute und erquickte ſich. Zuruͤck wollte man<lb/></p></div></body></text></TEI>
[133/0138]
mehr gen Himmel als auf Eduard gewendet,
loͤſte ſie die Kette, zog das Bild hervor,
druͤckte es gegen ihre Stirn und reichte es
dem Freunde hin, mit den Worten: heben
Sie mir es auf, bis wir nach Hauſe kom¬
men. Ich vermag Ihnen nicht beſſer zu be¬
zeigen, wie ſehr ich Ihre freundliche Sorg¬
falt zu ſchaͤtzen weiß.
Der Freund wagte nicht das Bild an
ſeine Lippen zu druͤcken, aber er faßte ihre
Hand und druͤckte ſie an ſeine Augen. Es
waren vielleicht die zwey ſchoͤnſten Haͤnde, die
ſich jemals zuſammenſchloſſen. Ihm war,
als wenn ihm ein Stein vom Herzen gefal¬
len waͤre, als wenn ſich eine Scheidewand
zwiſchen ihm und Ottilien niedergelegt haͤtte.
Vom Muͤller gefuͤhrt langten Charlotte
und der Hauptmann auf einem bequemeren
Pfade herunter. Man begruͤßte ſich, man
erfreute und erquickte ſich. Zuruͤck wollte man
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/138>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.