Du hast so Unrecht nicht, erwiederte der Hauptmann: denn auch mir machten derglei¬ chen Geschäfte im Leben schon viel Verdruß. Wie schwer ist es, daß der Mensch recht ab¬ wäge, was man aufopfern muß gegen das was zu gewinnen ist! wie schwer, den Zweck zu wollen und die Mittel nicht zu verschmä¬ hen! Viele verwechseln gar die Mittel und den Zweck, erfreuen sich an jenen, ohne die¬ sen im Auge zu behalten. Jedes Uebel soll an der Stelle geheilt werden, wo es zum Vorschein kommt, und man bekümmert sich nicht um jenen Punct, wo es eigentlich seinen Ursprung nimmt, woher es wirkt. Deswe¬ gen ist es so schwer Rath zu pflegen, beson¬ ders mit der Menge, die im Täglichen ganz verständig ist, aber selten weiter sieht als auf Morgen. Kommt nun gar dazu, daß der eine bey einer gemeinsamen Anstalt gewinnen, der andre verlieren soll, da ist mit Vergleich nun gar nichts auszurichten. Alles eigentlich
Du haſt ſo Unrecht nicht, erwiederte der Hauptmann: denn auch mir machten derglei¬ chen Geſchaͤfte im Leben ſchon viel Verdruß. Wie ſchwer iſt es, daß der Menſch recht ab¬ waͤge, was man aufopfern muß gegen das was zu gewinnen iſt! wie ſchwer, den Zweck zu wollen und die Mittel nicht zu verſchmaͤ¬ hen! Viele verwechſeln gar die Mittel und den Zweck, erfreuen ſich an jenen, ohne die¬ ſen im Auge zu behalten. Jedes Uebel ſoll an der Stelle geheilt werden, wo es zum Vorſchein kommt, und man bekuͤmmert ſich nicht um jenen Punct, wo es eigentlich ſeinen Urſprung nimmt, woher es wirkt. Deswe¬ gen iſt es ſo ſchwer Rath zu pflegen, beſon¬ ders mit der Menge, die im Taͤglichen ganz verſtaͤndig iſt, aber ſelten weiter ſieht als auf Morgen. Kommt nun gar dazu, daß der eine bey einer gemeinſamen Anſtalt gewinnen, der andre verlieren ſoll, da iſt mit Vergleich nun gar nichts auszurichten. Alles eigentlich
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Du haſt ſo Unrecht nicht, erwiederte der
Hauptmann: denn auch mir machten derglei¬
chen Geſchaͤfte im Leben ſchon viel Verdruß.
Wie ſchwer iſt es, daß der Menſch recht ab¬
waͤge, was man aufopfern muß gegen das
was zu gewinnen iſt! wie ſchwer, den Zweck
zu wollen und die Mittel nicht zu verſchmaͤ¬
hen! Viele verwechſeln gar die Mittel und
den Zweck, erfreuen ſich an jenen, ohne die¬
ſen im Auge zu behalten. Jedes Uebel ſoll
an der Stelle geheilt werden, wo es zum
Vorſchein kommt, und man bekuͤmmert ſich
nicht um jenen Punct, wo es eigentlich ſeinen
Urſprung nimmt, woher es wirkt. Deswe¬
gen iſt es ſo ſchwer Rath zu pflegen, beſon¬
ders mit der Menge, die im Taͤglichen ganz
verſtaͤndig iſt, aber ſelten weiter ſieht als auf
Morgen. Kommt nun gar dazu, daß der
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/121>, abgerufen am 18.12.2024.
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