Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Torquato Tasso Vom Rath und Willen selbst der klügstenMänner Sich unterscheidet. Vieles lassen sie, Wenn wir gewaltsam Wog' auf Woge sehn, Wie leichte Wellen, unbemerkt vorüber Vor ihren Füßen rauschen, hören nicht Den Sturm, der uns umsaus't und niederwirft, Vernehmen unser Flehen kaum, und lassen, Wie wir beschränkten armen Kindern thun, Mit Seufzern und Geschrey die Luft uns füllen. Du hast mich oft, o Göttliche, geduldet, Und wie die Sonne, trocknete dein Blick Den Thau von meinen Augenliedern ab. Prinzessinn. Es ist sehr billig, daß die Frauen dir Auf's freundlichste begegnen, es verherrlicht Dein Lied auf manche Weise das Geschlecht. Zart oder tapfer, hast du stets gewußt Sie liebenswerth und edel vorzustellen: Und wenn Armide hassenswerth erscheint, Versöhnt ihr Reitz und ihre Liebe bald. Torquato Taſſo Vom Rath und Willen ſelbſt der klügſtenMänner Sich unterſcheidet. Vieles laſſen ſie, Wenn wir gewaltſam Wog’ auf Woge ſehn, Wie leichte Wellen, unbemerkt vorüber Vor ihren Füßen rauſchen, hören nicht Den Sturm, der uns umſauſ’t und niederwirft, Vernehmen unſer Flehen kaum, und laſſen, Wie wir beſchränkten armen Kindern thun, Mit Seufzern und Geſchrey die Luft uns füllen. Du haſt mich oft, o Göttliche, geduldet, Und wie die Sonne, trocknete dein Blick Den Thau von meinen Augenliedern ab. Prinzeſſinn. Es iſt ſehr billig, daß die Frauen dir Auf’s freundlichſte begegnen, es verherrlicht Dein Lied auf manche Weiſe das Geſchlecht. Zart oder tapfer, haſt du ſtets gewußt Sie liebenswerth und edel vorzuſtellen: Und wenn Armide haſſenswerth erſcheint, Verſöhnt ihr Reitz und ihre Liebe bald. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#TAS"> <p><pb facs="#f0078" n="70"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Torquato Taſſo</hi></fw><lb/> Vom Rath und Willen ſelbſt der klügſten<lb/> Männer<lb/> Sich unterſcheidet. Vieles laſſen ſie,<lb/> Wenn wir gewaltſam Wog’ auf Woge ſehn,<lb/> Wie leichte Wellen, unbemerkt vorüber<lb/> Vor ihren Füßen rauſchen, hören nicht<lb/> Den Sturm, der uns umſauſ’t und niederwirft,<lb/> Vernehmen unſer Flehen kaum, und laſſen,<lb/> Wie wir beſchränkten armen Kindern thun,<lb/> Mit Seufzern und Geſchrey die Luft uns<lb/> füllen.<lb/> Du haſt mich oft, o Göttliche, geduldet,<lb/> Und wie die Sonne, trocknete dein Blick<lb/> Den Thau von meinen Augenliedern ab.</p> </sp><lb/> <sp who="#PRI"> <speaker><hi rendition="#g">Prinzeſſinn</hi>.</speaker><lb/> <p>Es iſt ſehr billig, daß die Frauen dir<lb/> Auf’s freundlichſte begegnen, es verherrlicht<lb/> Dein Lied auf manche Weiſe das Geſchlecht.<lb/> Zart oder tapfer, haſt du ſtets gewußt<lb/> Sie liebenswerth und edel vorzuſtellen:<lb/> Und wenn Armide haſſenswerth erſcheint,<lb/> Verſöhnt ihr Reitz und ihre Liebe bald.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [70/0078]
Torquato Taſſo
Vom Rath und Willen ſelbſt der klügſten
Männer
Sich unterſcheidet. Vieles laſſen ſie,
Wenn wir gewaltſam Wog’ auf Woge ſehn,
Wie leichte Wellen, unbemerkt vorüber
Vor ihren Füßen rauſchen, hören nicht
Den Sturm, der uns umſauſ’t und niederwirft,
Vernehmen unſer Flehen kaum, und laſſen,
Wie wir beſchränkten armen Kindern thun,
Mit Seufzern und Geſchrey die Luft uns
füllen.
Du haſt mich oft, o Göttliche, geduldet,
Und wie die Sonne, trocknete dein Blick
Den Thau von meinen Augenliedern ab.
Prinzeſſinn.
Es iſt ſehr billig, daß die Frauen dir
Auf’s freundlichſte begegnen, es verherrlicht
Dein Lied auf manche Weiſe das Geſchlecht.
Zart oder tapfer, haſt du ſtets gewußt
Sie liebenswerth und edel vorzuſtellen:
Und wenn Armide haſſenswerth erſcheint,
Verſöhnt ihr Reitz und ihre Liebe bald.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790/78>, abgerufen am 16.02.2025. |