Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Torquato Tasso Was sich denn ziemt! Anstatt daß jederglaubt, Es sey auch schicklich was ihm nützlich ist. Wir sehn ja, dem Gewaltigen, dem Klugen Steht alles wohl, und er erlaubt sich alles. Prinzessinn. Willst du genau erfahren was sich ziemt; So frage nur bey edlen Frauen an. Denn ihnen ist am meisten dran gelegen, Daß alles wohl sich zieme was geschieht. Die Schicklichkeit umgibt mit einer Mauer Das zarte leicht verletzliche Geschlecht. Wo Sittlichkeit regiert, regieren sie, Und wo die Frechheit herrscht, da sind sie nichts. Und wirst du die Geschlechter beyde fragen: Nach Freyheit strebt der Mann, das Weib nach Sitte. Tasso. Du nennest uns unbändig, roh, gefühllos? Torquato Taſſo Was ſich denn ziemt! Anſtatt daß jederglaubt, Es ſey auch ſchicklich was ihm nützlich iſt. Wir ſehn ja, dem Gewaltigen, dem Klugen Steht alles wohl, und er erlaubt ſich alles. Prinzeſſinn. Willſt du genau erfahren was ſich ziemt; So frage nur bey edlen Frauen an. Denn ihnen iſt am meiſten dran gelegen, Daß alles wohl ſich zieme was geſchieht. Die Schicklichkeit umgibt mit einer Mauer Das zarte leicht verletzliche Geſchlecht. Wo Sittlichkeit regiert, regieren ſie, Und wo die Frechheit herrſcht, da ſind ſie nichts. Und wirſt du die Geſchlechter beyde fragen: Nach Freyheit ſtrebt der Mann, das Weib nach Sitte. Taſſo. Du nenneſt uns unbändig, roh, gefühllos? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#TAS"> <p><pb facs="#f0074" n="66"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Torquato Taſſo</hi></fw><lb/> Was ſich denn ziemt! Anſtatt daß jeder<lb/> glaubt,<lb/> Es ſey auch ſchicklich was ihm nützlich iſt.<lb/> Wir ſehn ja, dem Gewaltigen, dem Klugen<lb/> Steht alles wohl, und er erlaubt ſich alles.</p> </sp><lb/> <sp who="#PRI"> <speaker><hi rendition="#g">Prinzeſſinn</hi>.</speaker><lb/> <p>Willſt du genau erfahren was ſich ziemt;<lb/> So frage nur bey edlen Frauen an.<lb/> Denn ihnen iſt am meiſten dran gelegen,<lb/> Daß alles wohl ſich zieme was geſchieht.<lb/> Die Schicklichkeit umgibt mit einer Mauer<lb/> Das zarte leicht verletzliche Geſchlecht.<lb/> Wo Sittlichkeit regiert, regieren ſie,<lb/> Und wo die Frechheit herrſcht, da ſind ſie<lb/> nichts.<lb/> Und wirſt du die Geſchlechter beyde fragen:<lb/> Nach Freyheit ſtrebt der Mann, das Weib<lb/> nach Sitte.</p> </sp><lb/> <sp who="#TAS"> <speaker><hi rendition="#g">Taſſo</hi>.</speaker><lb/> <p>Du nenneſt uns unbändig, roh, gefühllos?</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0074]
Torquato Taſſo
Was ſich denn ziemt! Anſtatt daß jeder
glaubt,
Es ſey auch ſchicklich was ihm nützlich iſt.
Wir ſehn ja, dem Gewaltigen, dem Klugen
Steht alles wohl, und er erlaubt ſich alles.
Prinzeſſinn.
Willſt du genau erfahren was ſich ziemt;
So frage nur bey edlen Frauen an.
Denn ihnen iſt am meiſten dran gelegen,
Daß alles wohl ſich zieme was geſchieht.
Die Schicklichkeit umgibt mit einer Mauer
Das zarte leicht verletzliche Geſchlecht.
Wo Sittlichkeit regiert, regieren ſie,
Und wo die Frechheit herrſcht, da ſind ſie
nichts.
Und wirſt du die Geſchlechter beyde fragen:
Nach Freyheit ſtrebt der Mann, das Weib
nach Sitte.
Taſſo.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790/74>, abgerufen am 16.02.2025. |