Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Ein Schauspiel. Leonore. So wirst du, Herr, für ihn noch alles thun, Wie du bisher für ihn schon viel gethan. Es bildet ein Talent sich in der Stille, Sich ein Charakter in dem Strom der Welt. O daß er sein Gemüth wie seine Kunst An deinen Lehren bilde! Daß er nicht Die Menschen länger meide, daß sein Arg- wohn Sich nicht zuletzt in Furcht und Haß ver- wandle! Alphons. Die Menschen fürchtet nur wer sie nicht kennt, Und wer sie meidet wird sie bald verkennen. Das ist sein Fall, und so wird nach und nach Ein frey Gemüth verworren und gefesselt. So ist er oft um meine Gunst besorgt Weit mehr als es ihm ziemte; gegen viele Hegt er ein Mißtraun, die, ich weiß es sicher, Nicht seine Feinde sind. Begegnet ja Daß sich ein Brief verirrt, daß ein Bedienter Ein Schauſpiel. Leonore. So wirſt du, Herr, für ihn noch alles thun, Wie du bisher für ihn ſchon viel gethan. Es bildet ein Talent ſich in der Stille, Sich ein Charakter in dem Strom der Welt. O daß er ſein Gemüth wie ſeine Kunſt An deinen Lehren bilde! Daß er nicht Die Menſchen länger meide, daß ſein Arg- wohn Sich nicht zuletzt in Furcht und Haß ver- wandle! Alphons. Die Menſchen fürchtet nur wer ſie nicht kennt, Und wer ſie meidet wird ſie bald verkennen. Das iſt ſein Fall, und ſo wird nach und nach Ein frey Gemüth verworren und gefeſſelt. So iſt er oft um meine Gunſt beſorgt Weit mehr als es ihm ziemte; gegen viele Hegt er ein Mißtraun, die, ich weiß es ſicher, Nicht ſeine Feinde ſind. Begegnet ja Daß ſich ein Brief verirrt, daß ein Bedienter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0029" n="21"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Schauſpiel</hi>.</fw><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker><hi rendition="#g">Leonore</hi>.</speaker><lb/> <p>So wirſt du, Herr, für ihn noch alles thun,<lb/> Wie du bisher für ihn ſchon viel gethan.<lb/> Es bildet ein Talent ſich in der Stille,<lb/> Sich ein Charakter in dem Strom der Welt.<lb/> O daß er ſein Gemüth wie ſeine Kunſt<lb/> An deinen Lehren bilde! Daß er nicht<lb/> Die Menſchen länger meide, daß ſein Arg-<lb/> wohn<lb/> Sich nicht zuletzt in Furcht und Haß ver-<lb/> wandle!</p> </sp><lb/> <sp who="#ALP"> <speaker><hi rendition="#g">Alphons</hi>.</speaker><lb/> <p>Die Menſchen fürchtet nur wer ſie nicht kennt,<lb/> Und wer ſie meidet wird ſie bald verkennen.<lb/> Das iſt ſein Fall, und ſo wird nach und nach<lb/> Ein frey Gemüth verworren und gefeſſelt.<lb/> So iſt er oft um meine Gunſt beſorgt<lb/> Weit mehr als es ihm ziemte; gegen viele<lb/> Hegt er ein <choice><sic>Mißtrauu</sic><corr>Mißtraun</corr></choice>, die, ich weiß es ſicher,<lb/> Nicht ſeine Feinde ſind. Begegnet ja<lb/> Daß ſich ein Brief verirrt, daß ein Bedienter<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [21/0029]
Ein Schauſpiel.
Leonore.
So wirſt du, Herr, für ihn noch alles thun,
Wie du bisher für ihn ſchon viel gethan.
Es bildet ein Talent ſich in der Stille,
Sich ein Charakter in dem Strom der Welt.
O daß er ſein Gemüth wie ſeine Kunſt
An deinen Lehren bilde! Daß er nicht
Die Menſchen länger meide, daß ſein Arg-
wohn
Sich nicht zuletzt in Furcht und Haß ver-
wandle!
Alphons.
Die Menſchen fürchtet nur wer ſie nicht kennt,
Und wer ſie meidet wird ſie bald verkennen.
Das iſt ſein Fall, und ſo wird nach und nach
Ein frey Gemüth verworren und gefeſſelt.
So iſt er oft um meine Gunſt beſorgt
Weit mehr als es ihm ziemte; gegen viele
Hegt er ein Mißtraun, die, ich weiß es ſicher,
Nicht ſeine Feinde ſind. Begegnet ja
Daß ſich ein Brief verirrt, daß ein Bedienter
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