Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Ein Schauspiel. Wo wohnt Cornelia? Zeigt mir es an!Cornelia Sersale? Freundlich deutet Mir eine Spinnerinn die Straße, sie Bezeichnet mir das Haus. So steig' ich weiter. Die Kinder laufen nebenher und schauen Das wilde Haar, den düstern Fremdling an. So komm' ich an die Schwelle. Offen steht Die Thüre schon, so tret' ich in das Haus -- Prinzessinn. Blick' auf, o Tasso, wenn es möglich ist, Erkenne die Gefahr, in der du schwebst! Ich schone dich; denn sonst würd' ich dir sagen: Ist's edel so zu reden, wie du sprichst? Ist's edel nur allein an sich zu denken, Als kränktest du der Freunde Herzen nicht? Ist's dir verborgen wie mein Bruder denkt? Wie beyde Schwestern dich zu schätzen wissen? Hast du es nicht empfunden und erkannt? Ist alles denn in wenig Augenblicken Verändert? Tasso! Wenn du scheiden willst, So laß uns Schmerz und Sorge nicht zurück. Ein Schauſpiel. Wo wohnt Cornelia? Zeigt mir es an!Cornelia Serſale? Freundlich deutet Mir eine Spinnerinn die Straße, ſie Bezeichnet mir das Haus. So ſteig’ ich weiter. Die Kinder laufen nebenher und ſchauen Das wilde Haar, den düſtern Fremdling an. So komm’ ich an die Schwelle. Offen ſteht Die Thüre ſchon, ſo tret’ ich in das Haus — Prinzeſſinn. Blick’ auf, o Taſſo, wenn es möglich iſt, Erkenne die Gefahr, in der du ſchwebſt! Ich ſchone dich; denn ſonſt würd’ ich dir ſagen: Iſt’s edel ſo zu reden, wie du ſprichſt? Iſt’s edel nur allein an ſich zu denken, Als kränkteſt du der Freunde Herzen nicht? Iſt’s dir verborgen wie mein Bruder denkt? Wie beyde Schweſtern dich zu ſchätzen wiſſen? Haſt du es nicht empfunden und erkannt? Iſt alles denn in wenig Augenblicken Verändert? Taſſo! Wenn du ſcheiden willſt, So laß uns Schmerz und Sorge nicht zurück. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#TAS"> <p><pb facs="#f0211" n="203"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Schauſpiel</hi>.</fw><lb/> Wo wohnt Cornelia? Zeigt mir es an!<lb/> Cornelia Serſale? Freundlich deutet<lb/> Mir eine Spinnerinn die Straße, ſie<lb/> Bezeichnet mir das Haus. So ſteig’ ich weiter.<lb/> Die Kinder laufen nebenher und ſchauen<lb/> Das wilde Haar, den düſtern Fremdling an.<lb/> So komm’ ich an die Schwelle. Offen ſteht<lb/> Die Thüre ſchon, ſo tret’ ich in das Haus —</p> </sp><lb/> <sp who="#PRI"> <speaker><hi rendition="#g">Prinzeſſinn</hi>.</speaker><lb/> <p>Blick’ auf, o Taſſo, wenn es möglich iſt,<lb/> Erkenne die Gefahr, in der du ſchwebſt!<lb/> Ich ſchone dich; denn ſonſt würd’ ich dir ſagen:<lb/> Iſt’s edel ſo zu reden, wie du ſprichſt?<lb/> Iſt’s edel nur allein an ſich zu denken,<lb/> Als kränkteſt du der Freunde Herzen nicht?<lb/> Iſt’s dir verborgen wie mein Bruder denkt?<lb/> Wie beyde Schweſtern dich zu ſchätzen wiſſen?<lb/> Haſt du es nicht empfunden und erkannt?<lb/> Iſt alles denn in wenig Augenblicken<lb/> Verändert? Taſſo! Wenn du ſcheiden willſt,<lb/> So laß uns Schmerz und Sorge nicht zurück.</p><lb/> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [203/0211]
Ein Schauſpiel.
Wo wohnt Cornelia? Zeigt mir es an!
Cornelia Serſale? Freundlich deutet
Mir eine Spinnerinn die Straße, ſie
Bezeichnet mir das Haus. So ſteig’ ich weiter.
Die Kinder laufen nebenher und ſchauen
Das wilde Haar, den düſtern Fremdling an.
So komm’ ich an die Schwelle. Offen ſteht
Die Thüre ſchon, ſo tret’ ich in das Haus —
Prinzeſſinn.
Blick’ auf, o Taſſo, wenn es möglich iſt,
Erkenne die Gefahr, in der du ſchwebſt!
Ich ſchone dich; denn ſonſt würd’ ich dir ſagen:
Iſt’s edel ſo zu reden, wie du ſprichſt?
Iſt’s edel nur allein an ſich zu denken,
Als kränkteſt du der Freunde Herzen nicht?
Iſt’s dir verborgen wie mein Bruder denkt?
Wie beyde Schweſtern dich zu ſchätzen wiſſen?
Haſt du es nicht empfunden und erkannt?
Iſt alles denn in wenig Augenblicken
Verändert? Taſſo! Wenn du ſcheiden willſt,
So laß uns Schmerz und Sorge nicht zurück.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |