Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Ein Schauspiel. Die kluge Herrschaft über Zung' und Lip-pe? -- Mein theurer Freund, fast ganz verkenn' ich dich. Tasso. Und wenn das alles nun verloren wäre? Wenn einen Freund, den du einst reich ge- glaubt, Auf einmal du als einen Bettler fändest? Wohl hast du recht, ich bin nicht mehr ich selbst, Und bin's doch noch so gut als wie ich's war. Es scheint ein Räthsel, und doch ist es keins. Der stille Mond, der dich bey Nacht erfreut, Dein Auge, dein Gemüth mit seinem Schein Unwiderstehlich lockt, er schwebt am Tage Ein unbedeutend blasses Wölkchen hin. Ich bin vom Glanz des Tages überschienen, Ihr kennet mich, ich kenne mich nicht mehr. Goethe's W. 6. B. K
Ein Schauſpiel. Die kluge Herrſchaft über Zung’ und Lip-pe? — Mein theurer Freund, faſt ganz verkenn’ ich dich. Taſſo. Und wenn das alles nun verloren wäre? Wenn einen Freund, den du einſt reich ge- glaubt, Auf einmal du als einen Bettler fändeſt? Wohl haſt du recht, ich bin nicht mehr ich ſelbſt, Und bin’s doch noch ſo gut als wie ich’s war. Es ſcheint ein Räthſel, und doch iſt es keins. Der ſtille Mond, der dich bey Nacht erfreut, Dein Auge, dein Gemüth mit ſeinem Schein Unwiderſtehlich lockt, er ſchwebt am Tage Ein unbedeutend blaſſes Wölkchen hin. Ich bin vom Glanz des Tages überſchienen, Ihr kennet mich, ich kenne mich nicht mehr. Goethe’s W. 6. B. K
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Ein Schauſpiel.
Die kluge Herrſchaft über Zung’ und Lip-
pe? —
Mein theurer Freund, faſt ganz verkenn’ ich
dich.
Taſſo.
Und wenn das alles nun verloren wäre?
Wenn einen Freund, den du einſt reich ge-
glaubt,
Auf einmal du als einen Bettler fändeſt?
Wohl haſt du recht, ich bin nicht mehr ich
ſelbſt,
Und bin’s doch noch ſo gut als wie ich’s
war.
Es ſcheint ein Räthſel, und doch iſt es keins.
Der ſtille Mond, der dich bey Nacht erfreut,
Dein Auge, dein Gemüth mit ſeinem Schein
Unwiderſtehlich lockt, er ſchwebt am Tage
Ein unbedeutend blaſſes Wölkchen hin.
Ich bin vom Glanz des Tages überſchienen,
Ihr kennet mich, ich kenne mich nicht mehr.
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