Goethe, Johann Wolfgang von: Die neue Melusine. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.steckte. Nun im Nu verschloßen sich Fenster, Thür und Thore, die Seitenflügel zogen sich ins Hauptgebäude zurück, statt des Palastes stand ein Kästchen neben mir, das ich sogleich aufhob und mit mir forttrug, nicht ohne ein angenehmes Gefühl, so groß und stark zu sein, zwar immer noch ein Zwerg gegen Bäume und Berge, gegen Ströme wie gegen Landstrecken, aber doch immer schon ein Riese gegen Gras und Kräuter, besonders aber gegen die Ameisen, mit denen wir Zwerge nicht immer in gutem Verhältniß stehen und deßwegen oft von ihnen geplagt werden. Wie es mir auf meiner Wallfahrt erging, ehe ich dich fand, davon hätte ich viel zu erzählen. Genug, ich prüfte Manchen, aber Niemand als du schien mir werth, den Stamm des herrlichen Eckwald zu erneuern und zu verewigen. -- Bei allen diesen Erzählungen wackelte mir mitunter der Kopf, ohne daß ich ihn gerade geschüttelt hätte. Ich that verschiedene Fragen, worauf ich aber keine sonderlichen Antworten erhielt, vielmehr zu meiner größten Betrübniß erfuhr, daß sie nach dem, was begegnet, nothwendig zu ihren Eltern zurückkehren müsse. Sie hoffe zwar wieder zu mir zu kommen, doch jetzt habe sie sich unvermeidlich zu stellen, weil sonst für sie so wie für mich Alles verloren wäre. Die Beutel würden bald aufhören zu zahlen und was sonst noch alles daraus entstehen könnte. Da ich hörte, daß uns das Geld ausgehen dürfte, steckte. Nun im Nu verschloßen sich Fenster, Thür und Thore, die Seitenflügel zogen sich ins Hauptgebäude zurück, statt des Palastes stand ein Kästchen neben mir, das ich sogleich aufhob und mit mir forttrug, nicht ohne ein angenehmes Gefühl, so groß und stark zu sein, zwar immer noch ein Zwerg gegen Bäume und Berge, gegen Ströme wie gegen Landstrecken, aber doch immer schon ein Riese gegen Gras und Kräuter, besonders aber gegen die Ameisen, mit denen wir Zwerge nicht immer in gutem Verhältniß stehen und deßwegen oft von ihnen geplagt werden. Wie es mir auf meiner Wallfahrt erging, ehe ich dich fand, davon hätte ich viel zu erzählen. Genug, ich prüfte Manchen, aber Niemand als du schien mir werth, den Stamm des herrlichen Eckwald zu erneuern und zu verewigen. — Bei allen diesen Erzählungen wackelte mir mitunter der Kopf, ohne daß ich ihn gerade geschüttelt hätte. Ich that verschiedene Fragen, worauf ich aber keine sonderlichen Antworten erhielt, vielmehr zu meiner größten Betrübniß erfuhr, daß sie nach dem, was begegnet, nothwendig zu ihren Eltern zurückkehren müsse. Sie hoffe zwar wieder zu mir zu kommen, doch jetzt habe sie sich unvermeidlich zu stellen, weil sonst für sie so wie für mich Alles verloren wäre. Die Beutel würden bald aufhören zu zahlen und was sonst noch alles daraus entstehen könnte. Da ich hörte, daß uns das Geld ausgehen dürfte, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0036"/> steckte. Nun im Nu verschloßen sich Fenster, Thür und Thore, die Seitenflügel zogen sich ins Hauptgebäude zurück, statt des Palastes stand ein Kästchen neben mir, das ich sogleich aufhob und mit mir forttrug, nicht ohne ein angenehmes Gefühl, so groß und stark zu sein, zwar immer noch ein Zwerg gegen Bäume und Berge, gegen Ströme wie gegen Landstrecken, aber doch immer schon ein Riese gegen Gras und Kräuter, besonders aber gegen die Ameisen, mit denen wir Zwerge nicht immer in gutem Verhältniß stehen und deßwegen oft von ihnen geplagt werden.</p><lb/> <p>Wie es mir auf meiner Wallfahrt erging, ehe ich dich fand, davon hätte ich viel zu erzählen. Genug, ich prüfte Manchen, aber Niemand als du schien mir werth, den Stamm des herrlichen Eckwald zu erneuern und zu verewigen. —</p><lb/> <p>Bei allen diesen Erzählungen wackelte mir mitunter der Kopf, ohne daß ich ihn gerade geschüttelt hätte. Ich that verschiedene Fragen, worauf ich aber keine sonderlichen Antworten erhielt, vielmehr zu meiner größten Betrübniß erfuhr, daß sie nach dem, was begegnet, nothwendig zu ihren Eltern zurückkehren müsse. Sie hoffe zwar wieder zu mir zu kommen, doch jetzt habe sie sich unvermeidlich zu stellen, weil sonst für sie so wie für mich Alles verloren wäre. Die Beutel würden bald aufhören zu zahlen und was sonst noch alles daraus entstehen könnte.</p><lb/> <p>Da ich hörte, daß uns das Geld ausgehen dürfte,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0036]
steckte. Nun im Nu verschloßen sich Fenster, Thür und Thore, die Seitenflügel zogen sich ins Hauptgebäude zurück, statt des Palastes stand ein Kästchen neben mir, das ich sogleich aufhob und mit mir forttrug, nicht ohne ein angenehmes Gefühl, so groß und stark zu sein, zwar immer noch ein Zwerg gegen Bäume und Berge, gegen Ströme wie gegen Landstrecken, aber doch immer schon ein Riese gegen Gras und Kräuter, besonders aber gegen die Ameisen, mit denen wir Zwerge nicht immer in gutem Verhältniß stehen und deßwegen oft von ihnen geplagt werden.
Wie es mir auf meiner Wallfahrt erging, ehe ich dich fand, davon hätte ich viel zu erzählen. Genug, ich prüfte Manchen, aber Niemand als du schien mir werth, den Stamm des herrlichen Eckwald zu erneuern und zu verewigen. —
Bei allen diesen Erzählungen wackelte mir mitunter der Kopf, ohne daß ich ihn gerade geschüttelt hätte. Ich that verschiedene Fragen, worauf ich aber keine sonderlichen Antworten erhielt, vielmehr zu meiner größten Betrübniß erfuhr, daß sie nach dem, was begegnet, nothwendig zu ihren Eltern zurückkehren müsse. Sie hoffe zwar wieder zu mir zu kommen, doch jetzt habe sie sich unvermeidlich zu stellen, weil sonst für sie so wie für mich Alles verloren wäre. Die Beutel würden bald aufhören zu zahlen und was sonst noch alles daraus entstehen könnte.
Da ich hörte, daß uns das Geld ausgehen dürfte,
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Die neue Melusine. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_melusine_1910/36>, abgerufen am 16.02.2025. |