puppen oder Haushälterinnen seyn sollten. Lothario sprach wenig zu allem diesem; als aber die Gesellschaft kleiner ward, sagte er auch hierüber offen seine Meynung. Es ist sonderbar, rief er aus, daß man es dem Manne verargt, der eine Frau an die höchste Stelle setzen will, die sie einzunehmen fähig ist: und welche ist höher als das Regiment des Hauses? Wenn der Mann sich mit äußern Verhältnissen quält, wenn er die Besitzthümer herbey schaffen und beschützen muß, wenn er sogar an der Staatsverwal¬ tung Antheil nimmt, überall von Umstän¬ den abhängt, und, ich möchte sagen, nichts regiert, indem er zu regieren glaubt, immer nur politisch seyn muß, wo er gern vernünf¬ tig wäre, versteckt, wo er offen, falsch, wo er redlich zu seyn wünschte, wenn er um des Zieles willen, das er nie erreicht, das schönste Ziel, die Harmonie mit sich selbst, in jedem
puppen oder Haushälterinnen ſeyn ſollten. Lothario ſprach wenig zu allem dieſem; als aber die Geſellſchaft kleiner ward, ſagte er auch hierüber offen ſeine Meynung. Es iſt ſonderbar, rief er aus, daß man es dem Manne verargt, der eine Frau an die höchſte Stelle ſetzen will, die ſie einzunehmen fähig iſt: und welche iſt höher als das Regiment des Hauſes? Wenn der Mann ſich mit äußern Verhältniſſen quält, wenn er die Beſitzthümer herbey ſchaffen und beſchützen muß, wenn er ſogar an der Staatsverwal¬ tung Antheil nimmt, überall von Umſtän¬ den abhängt, und, ich möchte ſagen, nichts regiert, indem er zu regieren glaubt, immer nur politiſch ſeyn muß, wo er gern vernünf¬ tig wäre, verſteckt, wo er offen, falſch, wo er redlich zu ſeyn wünſchte, wenn er um des Zieles willen, das er nie erreicht, das ſchönſte Ziel, die Harmonie mit ſich ſelbſt, in jedem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0094"n="90"/>
puppen oder Haushälterinnen ſeyn ſollten.<lb/>
Lothario ſprach wenig zu allem dieſem; als<lb/>
aber die Geſellſchaft kleiner ward, ſagte er<lb/>
auch hierüber offen ſeine Meynung. Es iſt<lb/>ſonderbar, rief er aus, daß man es dem<lb/>
Manne verargt, der eine Frau an die höchſte<lb/>
Stelle ſetzen will, die ſie einzunehmen fähig<lb/>
iſt: und welche iſt höher als das Regiment<lb/>
des Hauſes? Wenn der Mann ſich mit<lb/>
äußern Verhältniſſen quält, wenn er die<lb/>
Beſitzthümer herbey ſchaffen und beſchützen<lb/>
muß, wenn er ſogar an der Staatsverwal¬<lb/>
tung Antheil nimmt, überall von Umſtän¬<lb/>
den abhängt, und, ich möchte ſagen, nichts<lb/>
regiert, indem er zu regieren glaubt, immer<lb/>
nur politiſch ſeyn muß, wo er gern vernünf¬<lb/>
tig wäre, verſteckt, wo er offen, falſch, wo<lb/>
er redlich zu ſeyn wünſchte, wenn er um des<lb/>
Zieles willen, das er nie erreicht, das ſchönſte<lb/>
Ziel, die Harmonie mit ſich ſelbſt, in jedem<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[90/0094]
puppen oder Haushälterinnen ſeyn ſollten.
Lothario ſprach wenig zu allem dieſem; als
aber die Geſellſchaft kleiner ward, ſagte er
auch hierüber offen ſeine Meynung. Es iſt
ſonderbar, rief er aus, daß man es dem
Manne verargt, der eine Frau an die höchſte
Stelle ſetzen will, die ſie einzunehmen fähig
iſt: und welche iſt höher als das Regiment
des Hauſes? Wenn der Mann ſich mit
äußern Verhältniſſen quält, wenn er die
Beſitzthümer herbey ſchaffen und beſchützen
muß, wenn er ſogar an der Staatsverwal¬
tung Antheil nimmt, überall von Umſtän¬
den abhängt, und, ich möchte ſagen, nichts
regiert, indem er zu regieren glaubt, immer
nur politiſch ſeyn muß, wo er gern vernünf¬
tig wäre, verſteckt, wo er offen, falſch, wo
er redlich zu ſeyn wünſchte, wenn er um des
Zieles willen, das er nie erreicht, das ſchönſte
Ziel, die Harmonie mit ſich ſelbſt, in jedem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/94>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.